■ Daumenkino
: „Kalifornia“

Eins der bekanntesten Bilder zum Thema Rostock zeigt zwei besoffene Kerls in schmuddeligen Trainingsanzügen. Der eine weist zwischen den Beinen einen desavouierenden Fleck auf. Können solche das Wasser nicht halten? Rechtsradikale Mobsters, so wird suggeriert, leben unterhalb der Zivilisationsschwelle, im modrigen Schlamm des Prägenitalen; Rülpsen, Furzen, Pissen und Ausländerhauen sind alles Triebregungen, deren Verzicht sie nicht erlernt haben.

Ganz ähnlich verhält es sich auch mit den Serial Killers. In Dominic Senas neuem Film Kalifornia erscheint der Killer Early Grace (ein wahrhaft Metal- fähiges Pseudonym) gleich zu Beginn auf einer Brücke in regennasser Nacht mit Fels in der Hand. Wie ein Neandertaler, aus dem Urgrund des Menschlichen, läßt er den Felsen durch die Windschutzscheibe eines Fords plus Liebespaar donnern. Dann geht er fressen.

Von der Anlage her ist die Chose gar nicht uninteressant. Brian Kessler, ein gelangweilter Romancier und seine Freundin Frau Blasée (Fotografin) wollen nach Kalifornien, um dort Gold, Geld und Glück zu finden. Brian, bis dato glückloser Journalist, möchte sich ins Innere von Serienmördern hineinbugsieren, indem er ihre Aktionsrouten nachzeichnet. Die Strecke quer durch das weite Land ist eine Blutspur; überall waren irgendwann einmal Gemetzel. Brian und Carrie suchen per Aushang nach Mitfahrern, Early Grace und seine debile Freundin Adele melden sich. So gerät die abgerissene Bohème an White Trash, den weißen subproletarischen Bodensatz der Verunreinigten Staaten, und gemeinsam durchstreifen sie das Land. Während der feingliedrige Brian eine Art éducation sentimentale erfährt, wird der Serial Killer als einer vorgestellt, der aus dem Urgrund des Menschlichen agiert. Häufig und gern sieht man ihn schwitzend, im Unterhemd, eine Grube ausheben, kehlig aus tiefster Kehle röhren, die Zähne fletschen, grunzend und funkelnd seine Freundin beschlafen und so weiter. Ähnlich wie in Henry wird hier der Alptraum des Bürgers in der Rezession geträumt: Die Drohung der sozialen Deklassierung öffnet sich wie ein gefräßiger Rachen, in dem alles, was man sich mühsam an Distinktion angeeignet hat, fahren gelassen werden muß. Je länger die gemeinsame Fahrt dauert, desto ähnlicher werden sich die Protagonisten; es mehren sich die Reißschwenks, mit denen auch die Brüche zwischen den Szenen und Orten verwischt werden. Was ist dem zu entnehmen? Der Serial Killer steckt in allen von uns, wir müssen er werden, um ihn zu bannen.

Alles halb so wild: Serial Killer goes Glanzlack. Klimax: Ein Haus am kalifornischen Ozean, sie am Wasser, er am Schreibtisch, und nur aus der Ferne tönt noch Earlys Stimme aus dem Kasettenrecorder. mn