Traute Müllers starker Abgang

■ Lebensgefährte der Stadtentwicklungssenatorin soll für die Stasi spioniert haben / Bundesanwalt ermittelt gegen weiteres SPD-Mitglied   Von Uli Exner

“Ich stehe zu meinem Lebensgefährten, ich kann nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“. Mit diesen Worten begründete Traute Müller gestern nachmittag ihren Rücktritt als Stadtentwicklungssenatorin. 24 Stunden zuvor hatte sie erfahren, daß ihr Lebensgefährte, der SPD-Politiker und Stadtplaner Kurt Wand, jahrelang als Agent für die Stasi gearbeitet hat.

Müller versicherte in einer Pressekonferenz, daß sie über Wands Verbindungen zur Stasi zuvor „niemals ins Vertrauen gezogen oder informiert“ worden sei. „Die Notwendigkeit eines Rücktritts“ bestehe deshalb nicht. Sie tue diesen Schritt dennoch, weil angesichts des laufenden Ermittlungsverfahren gegen ihren Lebensgefährten ein Verbleiben im Amt „eine Belastung für den Senat“ geworden wäre. Und für sie selbst: „Politik für Menschen und mit Menschen bedeutet für mich auch das Verständnis, Konflikte aufzuarbeiten, um so mit neuer Kraft wieder politisch arbeiten zu können.“ Ihr Mandat als Bürgerschaftsabgeordnete will Müller nicht niederlegen.

Am Mittwochvormittag hatten Beamte der Bundesanwaltschaft und des Bundeskriminalamts die gemeinsame Wohnung Müllers und Wands sowie die Wohnung der SPD-Seniorenbeauftragten Ruth Polte durchsucht. Beweismittel wurden dabei nach Informationen der taz nicht sichergestellt. Wand selbst hat jedoch bekannt, so heißt es in der Erklärung Traute Müllers, „seit längerem Verbindungen zum Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR“ unterhalten zu haben. Die Bundesanwaltschaft selbst wollte sich gestern aus „Gründen des Persönlichkeitsschutzes und der Verhältnismäßigkeit“ nicht zum Stand der Ermittlungen konkret äußern. Ein Haftbefehl sei nicht beantragt worden.

Nach Angaben von Innensenator Werner Hackmann wird Wand und Polte vorgeworfen, „Informationen über SPD-Mitglieder, deren Aktivitäten sowie über die Parteiorganisation an die Stasi geliefert zu haben“. Zumindest Wand soll nach für seine Spitzeldienste regelmäßig entlohnt worden sein.

Daß die Spionagetätigkeit Wands bekannt wurde, verdanken die Bonner Behörden einem Zufall. Sein Name taucht, ebenso wie der Poltes, in den wenigen erhaltenen Akten der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des ehemaligen Stasi-Ministeriums auf. Die Unterlagen waren in diesem Frühjahr von der amerikanischen CIA an die Bonner Behörden weitergeleitet worden. Damals hatte Kanzleramtsminister Bernd Schmidtbauer die Enttarnung von mehr als tausend Stasi-Spionen in den Spitzen von Politik und Wirtschaft vorhergesagt. Eine Ankündigung, der zunächst keine Taten folgten – und die SPD-Chef Rudolf Scharping einmal so kommentierte: „Much ado about nothing“ – viel Lärm um nichts. Für Hamburg, so wissen wir seit gestern, gilt das nur bedingt.

Siehe auch Bericht auf Seite 2