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Mißbrauch eines Mahnmals als Gartenschänke...

■ Eine Bühne am DDR-Wachturm auf dem ehemaligen Grenzstreifen zwischen Treptow und Kreuzberg sorgt für Streit / Museumsbetreiber gegen Bezirksamt

Karl Winkler, Vorstandsmitglied vom „Museum für verbotene Kunst“, atmet hörbar auf. Die kleine Bühne hinter dem DDR- Wachturm des Vereins auf dem Grenzstreifen zwischen Treptow und Kreuzberg steht noch: „Ein Beweismittel ist vorerst gesichert.“

Winklers Freude ist verständlich, hat er doch kürzlich mit einer einstweiligen Verfügung vor dem Amtsgericht Köpenick dem Naturschutz und Grünflächenamt (NGA) aus Treptow einen Strich durch die Rechnung gemacht. Bis zum 12. November, so wollte es das NGA, sollte die Plattform, für deren Aufbau der Verein einst 12.000 Mark investiert hatte, abgerissen werden. Grund, so die Behörde, sei ein Splittergraben unterhalb der Bühne, der bei „Sondierungsarbeiten zur Munitionssuche“ störe.

Ein Vorwand, wie Winkler findet: „Die Munitionssuche war längst abgeschlossen.“ Mit dem NGA führt der Verein, der mit dem Bezirk einen Pachtvertrag über den letzten DDR-Grenzturm abgeschlossen hat, seit drei Jahren einen skurrilen Kleinkrieg. So setzten sich die Betreiber etwa Ende Juli über ein Konzert-Verbot durch das NGA munter hinweg. Die Rache folgte auf dem Fuß: Einen bereits zugesagten Anschluß an die Wasserleitung nahm die Behörde am 11. August „nach erneuter technischer Überprüfung“ wieder zurück. Treptows Baustadtrat Dieter Schmitz (SPD) schiebt die Schuld auf die renitenten Betreiber: „Der Vertrag wird regelmäßig von den Betreibern gebrochen.“ Das „Mahnmal“ werde als „Keimzelle eines Gartenrestaurants und als Ausflugsziel mißbraucht“. Zwischen Betreibern und Bezirksamt wird seit 1991 das Kriegsbeil geschwungen. Gemeinsam hatten damals CDU und SPD einen Antrag verabschiedet, mit dem der Turm auf das geplante Mauermuseum an der Bernauer Straße versetzt werden sollte. Seit November 1992 ist der Turm jedoch als Denkmal eingetragen.

Das Verhalten der Treptower Behörden erzürnt inzwischen die Senatsbehörden. Nicht nur, daß sich die Kulturverwaltung bereits vor einiger Zeit für den Erhalt der Bühne aussprach. Auch die obere Denkmalschutzbehörde bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz rüffelte die Aufschüttungsarbeiten bei der Umgestaltung des brachliegenden Geländes in einen Park. Entgegen der Zusicherung des NGA sei das Gelände an der Nordseite des Wachturms derart angehoben worden, daß der „ursprüngliche Sockel des Turms nahezu verschwindet“. Diese Veränderung stelle „eine erhebliche Beeinträchtigung der Aussagekraft und Originalität des Baudenkmals“ dar, so die Denkmalsschützer in einem Schreiben an ihren Treptower Kollegen im Juli dieses Jahres.

Flugs machte sich das Museum die Argumentation zu eigen und versuchte mit einer einstweiligen Verfügung einen Baustopp vor dem Verwaltungsgericht zu erwirken. Erfolglos. Winkler: „Das NGA hat vor Gericht mit 58 bis 62 Zentimetern falsche Aufschüttungsmaße angegeben – sie betragen in Wirklichkeit 65 bis 77 Zentimeter.“ Vertraglich festgelegter Meßpunkt sei stets die Bühnenoberkante gewesen. Das Beweismittel für eventuelle Nachmessungen ist – vorerst – gerettet. Denn Winklers Verein will mit einer Zivilklage wegen Falschaussage und Rückbebauung gegen das NGA vorgehen. Severin Weiland

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