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■ Basketball-Sportrechte: Wie Vox eine historische Chance verpaßte und Sat.1 ein nettes Schnäppchen machte

Donnerstag abend, 20 Uhr, Prime Time. Auf Vox läuft das „Handballspiel der Woche“. Live bringt der Kölner Sender den Sport aus Deutschlands Dörfern in deutsche Wohnzimmer. Was ist geschehen, daß dieses Klammern und Würgen aus Leutershausen, Hameln oder Niederwürzbach beste Sendezeit blockieren darf? Hatte Vox doch vormals mit dem ambitionierten Magazin „Sports TV“ und den Senderechten der National Basketball Association (NBA) geglänzt. Beides ist momentan verschwunden. „Sports TV“ mußte der Handball-Übertragung weichen, soll aber immerhin ab Januar wieder auf Sendung gehen. Im großen und ganzen will man „schräger“ werden, wie Reinhold Geneikis, der Vize-Sportchef von Vox, verspricht.

Mit dem NBA-Basketball kämpfte die Vox-Sportredaktion in der vergangenen Saison einen aussichtslosen Kampf gegen einen schlechten Sendeplatz nach Mitternacht. Trotzdem erreichte das Spektakel durchschnittlich eine halbe Million Zuschauer. Doch als Anfang des Jahres die Übertragungsrechte neu verhandelt werden sollten, war das Konzept des Senders unter den Druck den Geldgeber Bertelsmann geraten – wegen miserabler Quoten.

Geschäftsführer Erich Staake, dessen Abberufung zu diesem Zeitpunkt schon feststand, verkannte die Möglichkeiten, die die kommende Trendsportart geboten hätte. Ein Fehler, denn damals wären die Rechte noch für „deutlich unter einer Million“ (so Geneikis) zu haben gewesen. Zum Vergleich: Die Handball-Bundesliga wird ab 1994 jährlich zwölf Millionen kosten. Noch immer haben die Verantwortlichen in den Sendern nicht so richtig begriffen, daß sich die jungen Basketball-Addicts kaum für die Bemühungen der heimischen Ballartisten interessieren. Der wahre Stoff wird nur in der NBA gespielt. Spätestens nach der Hysterie um das „Dream-Team“ bei den Olympischen Spielen in Barcelona war abzusehen, daß Basketball auch in Europa die Entwicklung durchmachen würde, die der Sport in den USA seit den frühen 80ern genommen hatte, als Magic Johnson und Larry Bird mit ihrer Dauerrivalität dem Spiel eine neue professionelle Dimension eröffneten. Zudem hatten die US-Sportartikelfirmen, allen voran Nike und Reebok, die Medienwirksamkeit der NBA und ihrer Superstars auserkoren, um den europäischen Markt zu erobern.

Da traf es sich prächtig, daß die BRD-Nationalmannschaft im Juli sensationell die Europameisterschaft im eigenen Land gewann. Hatte dies doch den Effekt, daß die selbst betagten Herren in den Geschäftsleitungen der deutschen Sender das Potential der Sportart zu erkennen begannen. Der neue Vox-Geschäftsführer Bernd Schiphorst bemühte sich nun intensiver. Doch nicht nur er: auch Sat.1 stieg ins Wettbieten ein.

Trotzdem wuchs der Preis nicht ins Utopische, weil beide Interessenten keine großartigen Einschaltquoten erwarteten. Bei Vox kam hinzu, daß Schiphorst von seinem alten Arbeitgeber Ufa – ebenfalls eine Bertelsmanntochter – einen Sack mit Sportrechten mitgebracht hatte, die weggesendet werden wollten. So stieg der Preis zwar auf über eine Million Mark (genauere Zahlen wollen die Beteiligten nicht nennen), aber das fällt beim Wirtschaftsgiganten NBA, der jährlich allein mit Merchandising zweieinhalb Milliarden Dollar umsetzt, ohnehin kaum ins Gewicht. Die NBA investiert in die Zukunft, in die weltweite Verbreitung von Basketball. Da hatte Sat.1 mit seiner flächendeckenden terrestrischen Verbreitung gegenüber Vox die besseren Karten.

So sendet Sat.1 nun seit Monatsfrist sonntäglich ab zehn Uhr vormittags. Und macht damit denselben Fehler wie Vox, weil die Sendezeit nicht auf die potentielle Zielgruppe zugeschnitten ist. Die Quoten blieben bisher meist unter einer halben Million Zuschauer.

Vielleicht liegt's ja auch an der arg gewollten Aufbereitung, die die Sendung „Jump ran – Sat.1-Basketball“ bietet. Moderator Lou Richter kommt so ausstaffiert daher, als hätte er beim Verkäufer in der „Witboy“-Boutique mal schüchtern das Wörtchen „Streetball“ gestammelt. Er stolziert in einem bastardisierten Pimproll durch eine Dekoration, die an die Sesamstraße erinnert, aber wohl einen besonders verlotterten Teil der Bronx darstellen soll. Da dürften sich selbst 12jährige verarscht fühlen.

Bei Vox hofft man derweil, daß die Sat.1-Quoten so bleiben, wie sie sind. Vielleicht sind die Rechte viel schneller wieder frei, als man denkt. Und ganz so schlecht war der Tausch für Vox nicht, denn immerhin 400.000 im Schnitt sehen den Live-Handball. So oder so fehlen in Köln die Alternativen, denn, so meint jedenfalls Bernd Gäbler, bis Sommer 1993 Sportredakteur bei Vox, „wenn die Ufa Rechte an der Rollhockey-Bundesliga gehabt hätte, dann würde Vox jetzt Rollhockey senden“. Thomas Winkler