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Und selbst Akte wagten sie

■ Malerische Zutaten zum Bremer Festival "Frauen in der Aufklärung": Künstlerinnen des 18. Jahrhunderts im Roselius-Haus

Kaum war sie eingetroffen, folgte schon ein eiliger Brief: „Ist meine Angelika auch wohlbehalten angekommen?“ sorgte man sich darin. Die Angelika, von der da so liebevoll-vertraulich die Rede war, ist niemand Geringeres als Angelika Kauffmann (1741-1807), eine der berühmtesten Portrait- und Historienmalerinnen aus der Zeit der Aufklärung. Und der sich sorgte, war einer von 16 Leihgebern, deren Bilder in der Ausstellung „Malerinnen der Aufklärung“ ab heute im Roselius-Haus zu sehen sind.

Große Werke ihrer Zeit (1740- 1840) von ungewöhnlichen Frauenspersonen sind dort versammelt: Neben bislang ungesehenen Arbeiten von Angelika Kauffmann auch Bilder von Anna Dorothea Therbusch, Caroline Bardua, Ludovike Simanowiz und das einzige bekannte Selbstbildnis von Mary Moser. Allesamt Malerinnen, die von ihrer Kunst lebten – bisweilen an königlichen Höfen. Und deren Arbeiten bislang eher als kunstgeschichtliche Randerscheinungen wahrgenommen wurden.

„Das aber waren sie beileibe nicht“, erklärt Bettina Baumgärtel, Kuratorin des Düsseldorfer Kunstmuseums im Ehrenhof. „Nur sind Malerinnen in den Gemäldesammlungen und Museen unterrepräsentiert – oder ihre Arbeiten lagern in Magazinen, weil ihre Bedeutung unterschätzt wird.“ Bettina Baumgärtel konzipierte die Bremer Ausstellung – mit 16 Gemälden, statt mit den vorgesehenen 25. Finanzielle Unwägbarkeiten und ungeklärte Raumfragen waren die Ursache für diese Reduzierung: Erst ab August konnte die Idee der Ausstellung endgültig konkretisiert werden – ein später Start für ein ambitioniertes Vorhaben, das sie nun als „Kabinett“ vorstellt.

Die Hartnäckigkeit der Organisatorinnen des Festivals „Frauen in der Aufklärung“, der Musikwissenschaftlerin Ute Schalz-Laurenze und der Sozialwissenschaftlerin Iris Bubenik-Bauer, erbrachte am Ende doch malerische Früchte. Und die sind ein wichtiger sinnlicher Beitrag zum Festival: Im Kabinett kann man sich von den Frauen aus jener Zeit ein Bild machen. Und mehr noch: Auf sechs Selbstbildnissen sehen, wie die Malerinnen sich selbst darstellten.

Ausgiebig und groß zum Beispiel hat sich Anna Dorothea Therbusch (1721 - 1782) in Szene gesetzt – für die Zeit ungewöhnlich selbstbewußt als ältere Frau. Vierzig Jahre war die Berlinerin alt, als sie nach der Lebensstation als Mutter und Ehefrau den Beruf der Malerin wieder aufnahm – und Tabus brach. Noch heute wird kolportiert, daß sie, wie viele andere Kolleginnen auch, Akte malte, obwohl das für Malerinnen verboten war. Und daß sogar berühmte Männer die Hüllen vor ihr fallen ließen.

Dennoch dachten viele Malerinnen durchaus konventionell. Das beweisen vier Historienbilder von Angelika Kauffmann, die als Sittengemälde ihrer Zeit die Moral der bürgerlichen Klasse transportierten: Nicht schnöder Schmuck, sondern die Liebe zu den Kindern ziert eine Frau – so läßt sich das Cornelia-Bild der Kauffmann interpretieren.

Heute haben diese Gemälde einen besonderen Wert: In Größe und Qualität widerlegen sie die Behauptung, Frauen hätten im Genre der Historienmalerei nie gearbeitet und stellen AusstellungsmacherInnen, die Werke von Malerinnen nach wie vor als vernachlässigenswerte Randerscheinungen behandeln, nun selbst in den Schatten – eines männerzentrierten Kunstbegriffes. Eva Rhode

Die Ausstellung wird heute um 17 Uhr mit einem Vortrag von Bettina Baumgaertel im Festsaal des Rathauses eröffnet. Sie ist bis zum 9.1.94 im Roselius-Haus in der Böttcherstraße zu sehen. Öffnungszeiten: Mo - Do 10 - 16 Uhr, Sa und So 11 - 16 Uhr. Der Katalog dokumentiert weitere Abbildungen, die im Kabinett nicht gezeigt werden. Er kostet während der Ausstellung 35 Mark.

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