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Verläßlicher Partner der Auto-Lobby

■ VCD-Bilanz der rot-grünen Verkehrspolitik

Hannover „Die Hoffnungen, daß durch einen Regierungswechsel auch eine fortschrittlichere Verkehrspolitik betrieben wird, waren naiv und trügerisch.“ Diese Bilanz nach drei Jahren rot-grün in Niedersachsen zog Hermann König, niedersächsischer Vorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) .

Die Resignation über die rot- grüne Verkehrspolitik wird in jedem seiner Worte deutlich. Die SPD habe lediglich „ein taktisches Verhältnis“ zu einer ökologischen Verkehrspolitik. Immer wenn aus Ankündigungen Taten hätten werden solle, sei „der Schwanz eingezogen worden“. Gleichzeitig sei das Bündnis 90/Die Grünen sehr blaß geblieben und habe sich allzuoft vom größeren Koalitionspartner „über den Tisch ziehen lassen.“

Anstatt wie im Koalitionsvertrag festgeschrieben, „die Emissionen aus dem motorisierten Verehr zu reduzieren“, habe sich die Koalition als „verläßlicher Partner der Auto- Lobby erwiesen“, machte der 37 Jahre alte Umweltplaner seiner Frustration Luft. Um sofort mit einer „langen Sündenliste“ loszulegen: Wider aller Vernunft werde das Mammutprojekt Expo 2000 nach Hannover hofiert. Der dadurch notwendige Ausbau der Verkehrsinfrastruktur werde soviel Geld an die Landesmetropole binden, daß die ländlichen Regionen wieder mal als Verlierer dastehen. „Gerade das flache Land leidet unter dem katastrophalen öffentlichen Personennahverkehr – wenn er überhaupt den Namen verdient“, kritisiert der VCD-Vorsitzende.

Zudem würden mit dem Ausbau der A1 und A2 „historische Fehler“ begangen, die nach jahrzehntelangen Diskussionen über ein verkehrspolitisches Umsteuern unverantwortlich seien. „Das allerschwärzste Kapitel rot-grün“, legt er nach, „ist jedoch der Bau des Wesertunnels.“ Der ehemalige Bundesverkehrsminister Günter Krause hatte die Weserunterquerung schon aus dem Entwurf des Bundesverkehrswegeplans herausgenommen, bis die Landesregierung dieses Projekt erneut in Bonn anmeldete. Hiermit habe man sich zum „Erfüllungsgehilfen der europäischen Auto-Lobby“ gemacht und den letzten Kredit an Glaubwürdigkeit verspielt.

Ob die neue Regierung denn garnichts Positives erreicht habe, fragt die taz vorsichtig. Nach längerem Schweigen antwortet König:“Wenig. Es hat finanzielle Umschichtungen vom kommunalen Straßenbau zugunsten des ÖPNV gegeben. Höhere Investitionen sind hier in Aussicht gestellt worden.“ Auch sei die Beschaffung von Bussen und Straßenbahnen gefördert worden. Dies ändere aber nichts an der grundsätzlichen Kritik. „Es fehlt der Mut zur Restriktion, zum Nein- Sagen, bleibt er standhaft.

Das Argument, gerade Niedersachsen als von der Automobilindustrie abhängiges Land müßte nach dieser radikalen Auto-Kritik zusätzliche Arbeitslose in Kauf nehmen, läßt der VCD-Vorsitzende nicht gelten: „Der Bau von Autos ist ökologisch schlichtweg widersinnig. Ohne eine langfristige industriepolitische Umorientierung – hin zu ökologischen Zukunftsarbeitsplätzen – ist die jetzige Monostruktur in Niedersachsen nicht zu verändern. Dies muß klar und deutlich ausgesprochen werden.“ Er hoffe, daß sich die BürgerInnen nicht in den „vermeindlichen reformistischen Strudel“ reißen lassen, sondern sich aktiv vor Ort selbst organisieren. „Nur so können dauerhafte Veränderungen im Verkehrsbereich durchgesezt werden.“

Casten Krebs

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