„Sozial Schwache nicht ausspielen“

■ SPD will keine BSHG-19-Stellen für Arbeitsbeschaffung aufgeben

Sozialpolitik hatten die Delegierten des SPD-Parteitages auf der Tagesordnung stehen. Und wer am Samstag lange genug im Schulzentrum Delfter Straße ausgehalten hatte, konnte gleich live miterleben, wie in den Bremer Senatsressorts um das Politikfeld gestritten wird. Arbeitssenatorin Sabine Uhl nämlich verteidigte vor den Landesdelegierten ihr Begehren nach Geld aus dem BSHG-19- Topf der Sozialsenatorin. „Wenn da etwas übrig ist, das nicht gebraucht wird, dann müssen wir mit dem Geld ABM-Mittel binden“, erklärte sie den Delegierten.

Hintergrund: Nach der Zeit der langen ABM- Dürre hat ein kurzer Stellen-Schauer aus Nürnberg die Wetterlage auf dem 2. Arbeitsmarkt leicht verbessert. Jetzt fehlen der Arbeitssenatorin aber knapp 10 Mio. Mark an Komplementärmitteln: der Anteil der Bremer Eigenfinanzierung bei ABM-Stellen. Das Geld sei jedoch übrig bei den Stellen, die über den §19 des Bundessozialhilfegesetzes beim Sozialsenator finanziert werden (BSHG- 19), meint das Arbeitsressort. Von rund 900 avisierten BSHG-19- Stellen im letzten Haushaltjahr liefen nur rund 765 Verträge bis zum Ende. „Der Rest hat abgebrochen“, erklärte der Staatsrat im Arbeitsressort, Dr. Arnold Knigge. „Es ist nicht so, daß wir BSHG-19 kürzen wollen, aber wenn dort etwas übrig ist, darf das nicht einfach in den Sozialhilfetopf einfließen wie im letzten Jahr.“

Sozialsenatorin Irmgard Gaertner hielt dagegen: „Derzeit läuft ein Prüfauftrag, dessen Ergebnis am Dienstag im Senat vorliegen soll. Ich gehe nicht davon aus, daß uns Geld genommen wird.“ Für das Haushaltsjahr 1993 sind für BSHG-19-Stellen 34 Mio. Mark im Landeshaushalt vorgesehen, für das nächste Jahr sind 43 Mio. Mark veranschlagt. Das BSHG-19-Programm soll nämlich ausgebaut werden. „Man muß nicht auf 1.500 Stellen gehen, wie der Unterbezirk- Ost das fordert. Aber wir wollen deutlich ausbauen. Hunderte stehen bei uns auf der Warteliste“, erklärte Sozialstaatsrat Dr. Hans- Christoph Hoppensack.

Diese Position wird jetzt auch in der SPD gestützt. Elke Steinhöfel, SPD-Sozialpolitikerin in der Bürgerschaft und Landesdelegierte, gab die entsprechende Änderung in den Leitantrag des SPD-Vorstandes ein. Darin ist jetzt von „voller Nutzung der vorhandenen Mittel bei den BSHG-19-Stellen“ die Rede. Beide Klientel, ABM und BSHG- 19, seien in ihren Bedürfnissen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt völlig unterschiedlich, begründetet die Abgeordnete ihren Antrag, „so daß man beide nicht gegeneinander ausspielen sollte.“ Über eine BSHG-19-Zielzahl von 1.500 Stellen wurde aber nicht abgestimmt.

Mit großer Mehrheit forderte die Bremer SPD am Samstag den Senat auf, mit einem „Aktionsprogramm zur Armutsbekämpfung und Armutsvermeidung“ soziale Problemgruppen vermehrt zu unterstützen. Von Armut bedroht seien in Bremen zunehmend die Langzeitarbeitslosen, Alleinerziehende, alte Menschen, Schwerbehinderte und Zuwanderer. Sozialsenatorin Gaertner warnte jedoch vor übertriebenen Hoffnung in Bremen: „Wenn sich in Bonn nichts tut, wird sich auch in Bremen nichts ändern.“ Derzeit würden „die Pferde gefüttert, damit die Spatzen etwas zu fressen haben“. Die SPD müsse das ändern wollen: „Das bedeutet aber, daß es Zoff gibt, daß wir den gesellschaftlichen Konsens nicht mehr mittragen.“

Der Landesparteitag fordert vom Senat außerdem eine juristische Prüfung, ob Verfassungsklagen gegen die Sparmaßnahmen in der Sozialhilfe und gegen die Befristung der Arbeitslosenhilfe auf zwei Jahre erfolgversprechend sind. mad