„Verantwortlich für die Massaker“

■ Der griechische Europaminister Pangalos greift Bonner Balkanpolitik an

Berlin (taz) – Theodoros Pangalos nimmt nichts zurück. Im Gegenteil: Am Sonntag bestätigte der für Europafragen zuständige griechische Minister nicht nur seine Vorwürfe gegen Deutschland – „ein Riese mit der Kraft eines Monstrums und dem Hirn eines kleinen Kindes“ –, sondern setzte noch eins drauf, indem er Bonn die Verantwortung für den Krieg in Ex-Jugoslawien zuschob. „Die diplomatischen Anerkennungen“, sagte Pangalos, „kamen zu früh. Sie führten zu Massakern, und dafür gibt es Verantwortliche. Wir sind es nicht.“

Für ein Anhalten der Empörung Bonns gegenüber der Regierung der „Panhellenischen sozialistischen Bewegung“ (Pasok) in Athen dürfte mit den neuerlichen Vorwürfen gesorgt sein. Losgetreten hatte Europaminister Pangalos den Skandal in der vergangenen Woche, nachdem in Bonn Regierungssprecher Dieter Vogel erklärt hatte, daß Deutschland noch in diesem Jahr zusammen mit anderen Ländern diplomatische Beziehungen zu Makedonien aufnehmen wolle. Pangalos sprach daraufhin von einer „Verschwörung“ gegen das EG-Mitglied Griechenland und verstieg sich in oben zitierten Monstrum-Kind-Vergleich. In Bonn und Athen folgten prompt Krisengespräche mit den jeweiligen Botschaftern, während derer griechische Diplomaten versicherten, Pangalos habe nur als Privatmann im Rahmen eines wissenschaftlichen Kolloquiums, nicht jedoch als Regierungsmitglied gezetert.

Hintergrund der Bonner Absicht dürfte die in der Europäischen Union (EU) grassierende Angst vor der sechsmonatigen griechischen Ratspräsidentschaft sein, die im Januar beginnt. In dieser Zeit will die Pasok-Regierung versuchen, ihre Balkanpolitik zur EU-Linie zu machen. Der für Ex- Jugoslawien zuständige Minister, der Balkankenner Karolos Papoulias, unternahm bereits eine mehrtägige Reise durch die Hauptstädte der Region, um die Möglichkeiten einer Friedenskonferenz zu sondieren.

Zu der Athener Balkanpolitik gehören die von Regierungschef Andreas Papandreou erklärten Absichten, das Embargo gegen Serbien zu beenden und nur ja keinen Staat unter dem Namen „Makedonien“ anzuerkennen. Als besonders düstere Vision schwebt manchen EU-Politikern vor, daß Athen den Nachfolger des Jugoslawien-Vermittlers Lord Owen bestimmen könnte. Noch bevor Griechenland das Recht auf die Ausrichtung europäischer Treffen erhält, wollen Bonn und andere EU- Länder offenbar Tatsachen schaffen. Dorothea Hahn