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: Braune Kontraste

„Lippenstift und Hakenkreuz“, Di., 23 Uhr, Sat.1

Das Wahlrecht sei eigentlich überflüssig, sagt der junge Herr im smarten Rollkragenpulli lächelnd in die Kamera, und das Frauen-Wahlrecht, das sei ja nun vollkommen unsinnig, denn Frauen urteilten immer subjektiv. Nach seiner Traumfrau befragt, gerät er ins Schwärmen: Widerspenstig und faszinierend soll die Geliebte des Neonazis sein.

Die Frauen und Frauenbilder der Rechtsradikalen, die die „Spiegel-TV-Reportage“ zu Tage fördert, sind mehr als uneinheitlich, doch in einem sind sie alle gleich: Es ist nicht die Ideologie von Küche und Kreißsaal, die die neuen Mütter des vereinigten Vaterlandes in die Arme des Rechtsradikalismus treibt. Meist steckt dahinter zunächst der einfache Traum vom Glück: ein Mann, viel Geld und ein Auto. Neonazistische Frauen, das sind bisher nur selten harte Demagoginnen, das sind Bräute, Mitläuferinnen, Randfiguren, die irgendwie in die „Sache vom Nationalsozialismus“, wie eine sagt, reingezogen werden. Doch wer sind sie, diese neuen deutschen Mädels, die den starken Burschen am Arm hängen? „Spiegel-TV“ gibt darauf keine Antworten empirischer Art, sondern begnügt sich mit Kontrasten: Von der braunen Emanze, die es Scheiße findet, daß immer bloß die Typen Politik machen, bis hin zum Heimchen am Herd reicht das Spektrum. Ob alleinerziehende Mutter mit Sozpäd-Touch oder aktive Nationalsozialistin mit SED- Vergangenheit, auch bei den rechten Ladies ist alles möglich.

Immerhin ein Drittel aller Mitglieder rechtsradikaler Gruppen sind Frauen. In der Regel sind sie zwar weniger gewaltbereit als ihre männlichen Kollegen, doch nicht weniger rassistisch. Was sie von den Brandanschlägen halte, wird eine Eisenflechterin gefragt. Nein, die könne sie nicht unterstützen. Doch als die Journalistin von „Spiegel-TV“ endlich einmal – doch insgesamt leider viel zu selten – nachhakt, kommt ein erschreckendes Argument: Für die fünf Toten kämen fünfzig neue Asylanten, außerdem schadeten Brandanschläge dem Image der Rechten.

Diese Reportage lebte ganz von den O-Tönen. Sinnlos deshalb die ständigen Zwischenschnitte marschierender BDM- Mädels, die die Sache bloß aufmotzen sollten. Der zitierte Bildkontext war nicht mehr als Ornament, das einen brisanten Anstrich gibt. Andrea Kern