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Präsidenten sollen demonstrieren gehen

■ Senat der TU fordert seinen Präsidenten zu zivilem Ungehorsam auf

Steht Berlin eine große Demonstration aller Universitäten bevor? Der Akademische Senat (AS) der Technischen Universität hat wegen der massiven Einschnitte in den Universitäts-Haushalt seinen Präsidenten beauftragt, zusammen mit Freier und Humboldt-Uni eine Demo zu organisieren. Wie die taz erfuhr, hat der eher als vorsichtig geltende TU-Präsident Dieter Schumann gestern bereits bei seinem FU-Kollegen Johann W. Gerlach angefragt. Die Demo würde kommende Woche stattfinden, und sie hätte den Segen der Konferenz aller deutschen Hochschulrektoren: Deren Präsident Hans- Uwe Erichsen befürwortete am Mittwoch Protestaktionen gemeinsam mit StudentInnen.

Der AS der TU ruft seinen korrekten Präsidenten nicht umsonst zum zivilen Ungehorsam. Es geht um 17 Millionen Mark, um die der Haushalt der Uni am 17. Juni vom Hauptausschuß zurechtgestutzt wurde, obwohl er bereits vom Kuratorium gebilligt war. Die erneute Kürzung habe einen „unkalkulierbaren, gravierenden Einbruch in der Lehre zur Folge“, erklärte der AS, der am späten Mittwoch abend den Haushalt abgelehnt hatte. Johann W. Gerlach wollte sich gestern nicht äußern, ob er die Angehörigen seiner Universität auf die Straße rufen werde. Und die Präsidentin der Humboldt- Universität, Marlis Dürkop, war noch nicht informiert. Unmut herrscht allerdings bei der FU. Sie hatte letzte Woche ihren Haushalt für das Jahr 94 ebenso wie die TU abgelehnt. „Strukturellen Wahnsinn“ hatte Gerlach die Sparvorgaben des Abgeordnetenhauses genannt; sie kosten die FU im kommenden Jahr 229 Stellen.

Die Demo fiele zusammen mit einer bundesweiten studentischen Protestwoche. Ab Montag machen in Köln, Aachen, Göttingen, Würzburg, Berlin und anderswo Studierende gegen die – wie sie sagen – „Bildungsdeform“ mobil. Von Bund und Ländern geplant, soll sie heute vom Abgeordnetenhaus für Berlin beschlossen werden: Mit immer weniger Lehrpersonal sollen die StudentInnen schneller zum Abschluß kommen. Sämtliche Studien- und Prüfungsordnungen in Berlin, laut Wissenschaftsverwaltung insgesamt 900, sollen bis April 95 „entrümpelt“ werden. Ein Unterfangen, an dem auch mancher Beamter des Wissenschaftssenators Manfred Erhardt (CDU) zweifelt. Ganze drei Monate hat die Verwaltung zur rechtlichen Prüfung Zeit.

Der studentische Protest ist auch nach der gewalttätigen Räumung des Preußischen Landtages am Montag nicht abgeflaut. Unter anderem beginnen die StudentInnen ab heute damit, Unterschriften für ihr Volksbegehren zu sammeln: Die Wahlperiode des Abgeordnetenhauses soll vorzeitig beendet werden. Gesammelt wird an den Unis und an publikumswirksamen Plätzen, etwa dem Alex. „Damit die Leute sehen, daß sie nicht nur Stimmvieh sind“, sagte Jesper Richt-Reichhelm von der AG Volksbegehren. cif

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