■ Das Portrait: Akio Morita
Japan ohne Sony, das ist wie Sony ohne Akio Morita – ein bißchen unvorstellbar. Doch die japanischen Großkonzerne werden sich an den Abgang ihrer Väter gewöhnen müssen. Sony-Chef Akio Morita, 72, hat seine Elektronikfirma in einem ausgebombten Tokioter Kaufhaus 1946 mitbegründet. In dieser Woche traf ihn das Leben ganz unvermittelt: Nach einem Tennisspiel am Dienstagmorgen stellten die Ärzte nach einem Schwächeanfall Gehirnblutungen fest.
Sonys Chef: Vordenker der Japan AG Foto: Darchinger
Morita überlebte zwar einen schwierigen Gehirneingriff, hatte aber auch gestern seine Sprache noch nicht wiedergefunden. Ob er je wieder in seinen Firmensessel zurückkehren kann, ist fraglich. Bislang ließ Sony nur vermelden, daß sich Morita von allen öffentlichen Ämtern zurückziehe. Damit verliert die japanische Wirtschaft ihren wichtigsten Vordenker, der in diesem Jahr Außenminister geworden wäre, hätte er das Angebot von Premierminister Morihiro Hosokawa nicht freundlich abgelehnt. Tatsächlich hätte sich Morita als Mittelsmann zwischen Japan und dem Westen angeboten. Seinen wichtigsten politischen Aufsatz veröffentlichte er im Januar 1992 nach einer Europareise von Prag über die neuen deutschen Länder nach Brüssel. Er rühmte den europäischen Integrationsprozeß als Vorbild für das Zusammenwachsen der Weltwirtschaft. Er forderte die Japaner auf, weniger zu arbeiten und eine neue „Lebensqualität“ jenseits der Firma zu entdecken. Eine „neue Management-Philosophie“ müsse den Verdrängungswettbewerb beenden.
Obwohl Morita mit dem Schlagwort der „Globalisierung“ berühmt wurde, verwechselte er sein Unternehmen nur selten mit der übrigen Wirklichkeit. Statt von globaler Partnerschaft sprach er von der Vertrauenskrise zwischen Japan und dem Westen, von unterschiedlichen gesellschaftlichen Werten und der Unfähigkeit beider Seiten, das eigene Wirtschaftssystem in Frage zu stellen. Mit seinem politischen Engagement, das zuletzt seine Firmenrolle immer mehr überlagerte, war Morita unter den japanischen Managern Einzelgänger geblieben. Gleichwohl sollte ihm im Frühjahr der Vorsitz des Keidanren, Japans einflußreichsten Arbeitgeberverband, angedient werden. Nun muß die Japan AG einen neuen Chefdiplomaten suchen. Georg Blume, Tokio
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen