Rote Socken – kalte Füße

■ Etablierte lamentieren über „Proteststimmen“ für die PDS / Rechtsradikale erfreulich erfolglos

Berlin (taz/dpa) – Die Erfolge der PDS bei den Kommunalwahlen in Brandenburg haben die etablierten Parteien aufgeschreckt. Im feudalen Gestus wurden die Ergebnisse (die den Rechtsradikalen nur in einem Gemeinderat einen Sitz einbrachten) als „Proteststimmen“ interpretiert – als gäbe es keine guten Gründe, die „Etablierten“ nicht zu wählen. Als Folge der vielen Proteststimmen wollen sich SPD/CDU/CSU/FDP mit Blick auf das „Superwahljahr“ 1994 „verstärkt um die Sorgen der Bürger kümmern“. Das bekundeten führende Politiker gestern in Bonn. Die SPD, die deutliche Stimmengewinne verbuchte, sieht sich in ganz Ostdeutschland im Aufwind. Die CDU räumte ihre schwere Wahlniederlage ein. In Potsdam wollten sich die Landesvorstände der Parteien am Abend mit dem Wahlausgang befassen.

Bei den Wahlen war die SPD mit 33,5 Prozent (plus 5,4 Prozentpunkte) als Sieger hervorgegangen. Die CDU mußte nach letzten Hochrechnungen mit minus 9,3 Prozentpunkten schwere Verluste hinnehmen und erreichte nur noch 22,5 Prozent. Auf das Bündnis 90/Grüne entfielen 6,0, auf die FDP 6,6 Prozent. Andere Parteien und Wählervereinigungen konnten 10 Prozent auf sich vereinigen.

Die PDS, die sich in Brandenburg um 4,8 Prozentpunkte verbessert hatte und mit 21,3 Prozent nur knapp hinter der CDU geblieben war, zeigte sich optimistisch, nach diesem Erfolg nun auch bei den Bundestagswahlen 1994 die Fünfprozenthürde zu überspringen. Mit dem „großartigen Ergebnis“ werde deutlich, daß die PDS entgegen anderslautenden Behauptungen keineswegs ein Auslaufmodell sei, erklärte der Parteivorstand in Berlin.

Der brandenburgische Innenminister Alwin Ziel (SPD) sagte mit Blick auf die Stimmengewinne der PDS: „Es darf keine Verbrüderung geben.“ Der Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Konrad Weiß, forderte die anderen Parteien auf, jede Zusammenarbeit und Koalition mit der PDS in Brandenburg zu verweigern. Dies sei „eine Frage der politischen Hygiene“. Der frühere CDU-Fraktionsvorsitzende Peter-Michael Diestel übte scharfe Kritik: Die CDU habe „eine gerechte Quittung erhalten“.

In drei der vier kreisfreien Städte des Landes endete die Kommunalwahl ohne ein eindeutiges Votum für einen der Oberbürgermeisterkandidaten. In Potsdam, Cottbus und der Havelstadt Brandenburg werden die Bürger deshalb am 19. Dezember zur Stichwahl gebeten. Einzig in Frankfurt/Oder erhielt der parteilose bisherige Oberbürgermeister Wolfgang Pohl mit 61,0 Prozent schon im ersten Wahlgang die erforderliche Mehrheit.

In Potsdam kommt es zu einer Stichwahl zwischen dem PDS-Kandidaten Rolf Kutzmutz alias IM „Rudolf“, der 43,5 Prozent erreichte, und dem bisherigen SPD- Oberbürgermeister Horst Gramlich, der auf 30,0 Prozent kam. Tagesthema Seite 3, Kommentar Seite 10