■ Flüchtlinge in Turnhallen
: Bankrotterklärung

Auch in diesem Jahr erfreut Schöneberg die Öffentlichkeit mit einer Hiobsbotschaft. Der Bezirk sei so mit Flüchtlingen überfüllt, daß nichts anderes übrigbleibe, als Turnhallen zu requirieren. Nun ist es ja unbestritten, daß die Stadt mehr Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien aufnimmt als ganz Frankreich und England zusammen. Die Entscheidung von Schöneberg, Kriegsflüchtlinge in Sportstätten einzuquartieren, bedeutet jedoch zweierlei: einmal das Eingeständnis, nicht planen zu können. Jeder Verantwortliche konnte sich schon im Frühsommer ausrechnen, daß Hunger, Kälte, fehlende medizinische Versorgung die Flüchtlinge im Winter aus den Krisen- und Kriegsgebieten treiben wird. Die Verteilung der hilfesuchenden Menschen auf die Berliner Bezirke erfolgt entsprechend dem Geburtsdatum. Daß Schöneberg dabei überproportional mehr Flüchtlingsfamilien zu versorgen hat als andere Bezirke, erscheint unwahrscheinlich. Genau dies behauptet aber der Sozialstadtrat und begründet damit seine Entscheidung für Notquartiere.

Wahrscheinlicher ist, daß die Notunterkünfte mit eingeschränkter Sozialhilfe propagandistischen Zwecken dienen sollen. Nämlich zur Beweisführung, daß ein Großteil der Flüchtlinge des Geldes wegen nach Berlin kommt. Eine kaum belegte Turnhalle würde dann zum zentralen Argument für eine restriktiv zu handhabende Bleiberegelung für nichtbosnische Flüchtlinge mutieren. Denn der Schöneberger Sozialstadtrat macht schon jetzt keinen Hehl daraus, daß er es für fatal hält, daß 95 Prozent aller Einzelfallprüfungen für Mazedonier, Slowenen, Kosovo-Albaner positiv entschieden werden. Anita Kugler

Siehe Bericht Seite 18