Es lag an den Enzymen

Zum 50sten von Jim Morrison: Letztgültiges und Verkaufscleveres in dekadenkompatibler Flottsprache  ■ Von Anke Westphal

„Die biographische Wahrheit ist nicht zu haben“, schrieb Sigmund Freud, „und wenn man sie hätte, wäre sie nicht zu gebrauchen.“ Jerry Hopkins, neben Danny Sugarman Co-Autor der krummen Doors-Bibel „Keiner kommt hier lebend raus“, wollte es besser wissen und veröffentlichte rechtzeitig zum 50. Geburtstag am 8. Dezember eine zweite und auch gleich „die endgültige Biographie“ von Jim Morrison. Zwischen den Deckeln: „die großen Interviews“.

Eine Pop-Ikone wie Jim Morrison, der mit strammer Erektion für Pressefotos posierte, wegen öffentlicher Entblößung und Blasphemie verklagt wurde, also sein Soll an Sex & Drugs & Rock 'n' Roll übererfüllte, gibt zwar immer noch einiges her an Anekdötchen, aber endgültig kann denn doch nur die schale Erkenntnis sein, daß man – fast – alles about Jim irgendwo schon irgendwie mal gehört oder gelesen hat. Zum Beispiel eben in „Keiner kommt hier lebend raus“, dem Grundlagenwerk, das Hopkins aber nun mit schwungvollem Ganzheitsanspruch wenn nicht revidieren, so doch geraderücken möchte. Das geht freilich nicht ohne geschamiges Eigenlob ab. Man war vielleicht kein „richtiger Freund“ von Morrison, hält sich aber als Biograph für den einsamen Wahrheitsarchäologen an sich: „Ich war nicht oberflächlich!“

Wer dessen selbst schwarz auf weiß versichern muß, wirkt erst mal minder vertrauenerweckend. Ging Morrisons Freundin, Pamela Courson, nun wirklich auf den Strich, und – die Generalfrage überhaupt – ist der gute, alte Jim überhaupt tot? Ärger, Ärger bei der Lektüre, läuft das Ganze doch auf ein interpretatorisch-spekulatives Ausbreiten jener Todes- und Verschwindetheorien hinaus, wie sie sich analog in den zahllosen Biographien über Marilyn Monroe oder Janis Joplin finden.

Nun ja, Morrison weilt vielleicht noch unter uns – zur Bekräftigung mißhandelt der Autor ein Zitat des Untoten. Serviert wird das neue verkaufsclevere Morrison-Brevier in einer vollends verstimmenden dekadenkompatiblen Flottsprache: Morrison, ein „überlebensgroßer kultureller Superman“ mit Antikeanleihen. Ach, es ist so eine Sache mit der Buchseiten-implantierten Intellektualität. Höhepunkte: „In Jim lebte auch ein kleiner Junge“, und „an den Enzymen lag es“, daß Jim so oft ausrastete.

Aha, das hätte also alles behandelt werden können, das mit dem wilden Rock 'n' Roller und ähnlichem Krempel ... Und was, wenn der gute, alte Jim doch nur der begabte, irre, leicht paranoide „erotische Politiker“ war, der er auf der Bühne zu sein vorgab? Pfeife doch einer auf Superman und diese ewig öden Erhöhungen „zum Dichter und Drogenfreak“!

Da trösten nur noch die Interviews, die man hier wenigstens schön miteinander versammelt findet. Jim komisch, aber essentiell: „Ich glaube, daß die peristaltische Bewegung die Grundbewegung des Lebens ist.“ Oder wie wäre es damit: „Hm, wir sind eine irgendwie düstere Gruppe.“

Mehr für diejenigen, die den Doors-Ausverkauf auch nach „König der Eidechsen“ immer noch nicht überhaben, bringt ein Bilder-Lese-Buch. Sorgsam zusammengestellte Fotos, Selbstbeschreibungen der einzelnen Doors-Mitglieder und relevante Kritikerstimmen aus den alten Zeiten versöhnen mit einem aufgeblähten, aber gleichwohl mageren Hopkins. Immerhin bildeten die Doors einmal etwas mehr als die Schattenseite zum Love-and- Peace-Smiling der Hippie-Ära und haben Besseres verdient als Aufgüsse. So ruhet denn in Frieden!

Jerry Hopkins: „Jim Morrison – Der König der Eidechsen“. Aus dem Amerikanischen von Manfred Ohl, Hans Sartorius und Carl- Ludwig Reichert, 255 Seiten, mit 54 Abbildungen, 34,00 DM

Danny Sugarman: „Jim Morrison & The Doors. Eine Bildgeschichte“. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Carl-Ludwig Reichert und Eva Dempewolf, 245 Seiten, 49,80 DM

Beide Bücher erschienen bei Schirmer/Mosel

Auch noch termingerecht auf den Markt gekommen ist Bob Seymour: „The End. Der Tod von Jim Morrison“, Palmyra-Verlag, 16 Seiten, 29,80 DM