Vorsicht: Frauen sind mit an Bord

■ Der „Abenteuerreisende“ Arved Fuchs berichtet von der Nordpolumsegelung „Icesail“

Die russische Revolution kam den Seeleuten dazwischen. Nachdem Roald Amundsen 1918 die Nordostpassage befuhr, wurde der vermeintlich kürzeste Seeweg von West nach Ost von der UdSSR gesperrt. Dabei hatte alles so schön begonnen. 1850 machte sich der Engländer Robert McClure auf den Weg, das vereiste Nordpolarmeer zu Fuß zu überqueren. Er suchte seinen Kollegen John Franklin, der bei einer Expedition mit den Segelschiffen „Erebus“ und „Terror“ und 120 Mann im ewigen Eis verschwunden war.

Über Jahrhunderte erforschten Europäer die Erde, um sie zu kartographieren und alsdann Bodenschätze und „Menschenmaterial“ auszubeuten. Abfallprodukt solch Tatendranges: jede Menge Abenteuergeschichten. In Buchform gebracht oder am Kamin erzählt, hatten so auch die Daheimgebliebenen ihre Freude am Erderobern. Statt im Kaminzimmer mit Löwenfell erzählt Arved Fuchs („Ich bin Abenteuerreisender“) den verhinderten Reisenden im Berliner Globetrotter-Laden Bannat von seinem letzten großen Trail. Fuchs versucht seit 1991, mit einem zum Segelschiff umgebauten Fischkutter den Nordpol zu umkreisen. Bei Bannat steht er stilecht am Kartentisch, hinter ihm Eispickel und Survivaltütensuppen. Die devoten Fragesteller behandeln Fuchs mit dem Respekt, dem man jemandem entgegenbringt, der seit einer Expedition mit R. Messner nicht mehr alle Zehen im Schuh hat.

Auf der mit Stahlplatten gegen Eisschollen geschützten „Dagmar Aaen“ fahren bis zu zwölf Leute mit. Dabei sind auch Frauen. Das scheint die großenteils männlichen Zuhörer des Entdeckungsreisenden ganz besonders zu wundern. „Wie bist du damit zurechtgekommen, daß Frauen an Bord waren?“ Wer in Fuchs die Machoausgabe des bärbeißigen Forschers mit der Flinte in der Hand vermutet, wird enttäuscht. „Frauen lassen sich nix vormachen“, ja das Klima an Bord sei besser, und „gewisse Vokabeln fallen gar nicht erst“. Bei so viel Fortschrittlichkeit wundert es nicht mehr, wenn der 41jährige Fuchs erzählt, er habe immer wieder darauf gedrungen, das Englische als Bordsprache einzuhalten. Denn die „Icesail“ ist international besetzt. „Hat es denn da keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben?“

Fuchs mag sich nicht einmal den Anstrich des Umweltschützers geben, auch Grenzen will er nicht krampfhaft überschreiten. „Ich will nicht barfuß durchs Eismeer.“ Ein Frager würde gern mitsegeln. Fuchs: „Zunächst muß man einen Brief an mich schreiben, das schreckt viele schon ab.“ Ein Zimmermann wäre schon zufrieden, wenn Fuchs ihm sagen könnte, wie man sich am besten gegen kalte Fingerkuppen schützt.

Das Risiko ist für Nordpol-Entdecker überschaubar. Die Expedition hat nicht nur einen Sponsor im Rücken („Deren Jacken habe ich schon immer gern getragen“), sondern modernste Technik im Gepäck. Einen Laptop mit Textmodem, ein Kamerateam und eine italienische Spezialwaffe gegen kalte Füße: ein fliegendes Schlauchboot, mit dem man im Notfall das Eis auf dem Luftweg verlassen kann. Als Arved Fuchs schon die ersten Polar-Reisebücher signiert, rückt ein Zuspätkommer dicht an ihn heran: „Sag mal, sind da wirklich Frauen mit dabei, bei der Expedition? Das find' ich echt mutig!“ Andreas Becker