Sie bringen ungeheuren Spaß

Ein Gespräch mit Russ Meyer aus dem Tal der Supervixen, der seine Autobiographie nun auch hier promoten möchte. Vom „Underground-Filmer“ will er nichts wissen  ■ Von Alfred Hackensberger

Weil man Filme wie „Im Tal der Supervixen“ oder „Die Satansweiber von Tittfield“ sowohl auf Bahnhofskinos wie auch im Museum of Modern Art sehen kann, verwechseln manche Menschen Russ Meyer mit einem „trash-auteur“, ähnlich seinem Kollegen John Waters. Dabei beläuft sich die Sache bei Meyer durchaus auf Ölbohrtürme, die zwischen die Fickszenen geschnitten sind. In diesem Gespräch, geführt anläßlich der nun ins Haus stehenden Autobiographie Russ Meyers, räumt der alte Herr mit verschiedenen Mythen um seine stinkreiche Person auf. mn

taz: Ihr letzter Film, „Im tiefen Tal der Superhexen“, liegt 14 Jahre zurück. In dieser Zeit haben Sie hauptsächlich an Ihrer Autobiographie und an einer Art „Best of Russ Meyer“-Film gearbeitet. Denkt der „König des Nacktfilms“, der mittlerweile 71 Jahre alt ist, bereits an ein Vermächtnis für die Nachwelt? Denken Sie ans Sterben?

Russ Meyer: Nein, nein. Der Gedanke an den Tod würde mich zu sehr beunruhigen. Ich denke nicht in solchen Kategorien. Ich bin sehr stark, denke positiv und nicht an ein Morgen. Ich versuche, mein Leben so uneingeschränkt wie möglich zu genießen. Ich gehe jeden Tag ins Fitneßstudio, das ich mir in meinem Haus in Palm Springs eingerichtet habe. Ich bin sehr muskulös und fühle mich wie ein 23jähriger. Ich mache Sex mit einer 30jährigen Frau, die ein hervorragendes, aggressives Sexualobjekt ist. Sie schreit immer nach mir: „Komm endlich, ich brauch' es jetzt!“ Sie ist wie alle meine Frauen, die ich bisher im Leben hatte: wunderschön, lasziv und oversexed. Das macht mich an.

Das klingt alles so, als wollten Sie ewig leben?

Natürlich, das wäre das Schönste, was passieren könnte.

Zurück zu Ihren autobiographischen Unternehmungen ...

Meine Autobiographie hat den Titel „The Clean Breast. The Life and Loves of Russ Meyer“. Es ist ein aufrichtiges, offenes Buch, frei nach dem Motto: „Fuck and Tell“. Statt eines Supplements habe ich zahlreiche Fotografien hinzugefügt. Jeweils auf den linken Seiten sind die Leute abgebildet, über die im Text rechts gerade erzählt wird. Insgesamt sind es drei Bände und kosten zusammen rund 1.000 Dollar bei einer Auflage von fünftausend Stück. Tausend davon gehen nach Deutschland. Roger Ebert, ein bekannter Filmkritiker und Pulitzerpreisträger, der auch die Drehbücher zu fünf meiner Filme geschrieben hat, ermunterte mich zu diesem Buch. Ich beschreibe darin alle Ereignisse meines Lebens, wie gesagt, sehr offen und freimütig, aber auf gewohnt humoristische Weise.

Soll das Buch auch verfilmt werden?

Ja, entweder bei Warner oder Universal mit Jack Nicholson hoffentlich in der Hauptrolle. Ich werde Regie führen und Produzent sein.

Und wie weit ist das andere „Best-of-Filmprojekt“ gediehen?

Das habe ich ganz aufgegeben. 17 Stunden Film, das kann man niemandem zumuten. Ich hatte eine Menge Material aus dem Zweiten Weltkrieg, dazu alle meine Filme natürlich und zusätzlich in Frankreich und Deutschland abgedrehte Sketche. Insgesamt habe ich über eine Million Dollar in den Film investiert. Irgendwann werde ich daraus vielleicht einige Segmente benutzen.

Meinen Sie mit dem Material aus dem Zweiten Weltkrieg Ihre eigenen Filme, die Sie während Ihrer Soldatenzeit gedreht haben, die für einige Wochenschauen und später auch für den Kriegsfilm „Patton“ und die Dokumentation „Aufstieg und Fall des Dritten Reiches“ verwendet wurden?

Ja, aus diesem Material wollte ich den ersten Teil des 17-Stunden- Werkes zusammenstellen. Ich erinnere mich gerne an den Zweiten Weltkrieg, an meine Zeit in der Armee. Es war die beste und schönste meines Lebens. Als Filmer war ich zwar noch ein Amateur, aber mir gefiel der Krieg, und ich wünschte, daß er nie zu Ende ginge. Ich hatte große Angst, zurück in die Staaten zu müssen und mir dort einen Job zu suchen. Ich war erst 21 Jahre alt.

Was gefiel Ihnen am Krieg so gut?

Es war einfach aufregend, jeder Tag war spannend. Ich machte ausgezeichnete Aufnahmen.

Waren sie vorne an der Front oder mehr hinter den Linien?

Ich war die ganze Zeit direkt an der Front. Ich landete mit der 29. Infanterie-Division in der Normandie.

Hatten Sie keine Angst?

Nein, nein, als junger Mensch hat man keine Angst. Ich liebte das Soldatendasein.

In einem Interview haben Sie einmal gesagt, daß auch der Golfkrieg eine wunderbare Sache gewesen sei. Sind Sie ein Kriegsfanatiker?

Ich bin kein Kriegsfanatiker. Politisch gesehen, hatte ich gegen den Golfkrieg nichts einzuwenden. Aber natürlich finde ich keinen Spaß daran, Leute sterben zu sehen. Im Zweiten Weltkrieg war ich Kriegsteilnehmer, ein junger Mann, der einfach das tat, was alle jungen Menschen taten. Die meisten Soldaten waren junge Leute. Ich hatte die Gelegenheit, Geschichte mit der Kamera festzuhalten. Das war das Aufregende daran. Denken Sie doch nur an die Presse, Leute wie Sie, die losziehen, um Sensationsnachrichten zu erhaschen. Es macht einen an, Bilder voller Action zu bekommen, die nicht geprobt sind. Es war alles mehr oder weniger Zufall, daß ich dabei war und wußte, wie man eine Kamera benutzte, große Zivilcourage mitbrachte und daraus ein großer Spaß wurde.

Nach dem Krieg begann Ihre Karriere als Fotograf. Sie arbeiteten für den „Playboy“ und zahlreiche andere Glamour-Magazine, sowohl in den USA als auch in Europa. 1959 drehten Sie den ersten Sexfilm, „The Immoral Mr. Teas“...

Das ist nicht ganz richtig. Es war der erste „Nacktfilm“. Eigentlich ein sehr unschuldiger Film, der von einem Mann erzählte, der seiner Vorstellung nach alle Frauen nackt sehen konnte. Dieser Film war ein Riesenerfolg, ein Volltreffer. Von diesem Zeitpunkt an machte ich ausschließlich nur noch derartige Filme.

... und spezialisierten sich auf übergroße, riesige Brüste, die Ihr Markenzeichen wurden. Was fasziniert Sie so an überproportionierten Brüsten?

Sie bringen ungeheuren Spaß, ich genieße sie unheimlich, sie machen mich an, erwecken meine tiefen Leidenschaften. Alle Frauen, mit denen ich zu tun hatte oder verheiratet war, hatten große Brüste. Auch Melissa, meine momentane Begleiterin, ist in dieser Beziehung phantastisch. Jeder ist hinter ihr her, aber ich habe sie bekommen. Sie ist 30 Jahre alt, arbeitet als Stripperin und macht 5.000 Dollar in der Woche in diesen Clubs im Mittelteil der USA. Ich bin stolz auf sie. Wenn sie einen Raum betritt, verstummen die Gespräche. Ich habe sie zum Moskauer Filmfestival mitgenommen, auf dem ich drei meiner Filme zeigte. Die Russen waren komplett gaga und blieben staunend stehen, als sie in ihrem hautengen Pullover durch die Straßen stolzierte. Viele Leute fragen mich, was mich so verrückt nach großen Brüsten macht. Ich glaube, jeder Mann ist im gewissen Sinne danach verrückt, aber nicht jeder hat die Möglichkeit wie ich, diese Verrücktheit auszuleben.

Na gut, aber welche Geheimnisse bergen übergroße Brüste in sich, die Sie so obsessiv werden lassen?

Wenn ich es erzählen würde, könnten Sie das nicht abdrucken. Was macht Sie denn an? Eine Pussy vielleicht?

Warum nicht?

Gut, ich kann eine Pussy akzeptieren, schließlich ist sie da. Aber sie ist nur Beiwerk, ein Zubehörteil. Wollen Sie wissen, warum? Dann hören Sie jetzt zu. Eine Bekannte von mir, die sehr viel im Fernsehen auftritt, fragte mich, was mit mir und diesen großen Brüsten nur los sei. Ich muß hinzufügen, daß sie selbst große Brüste hat. Sie machen den Schwanz hart, antwortete ich ihr. Und das ist letztendlich der entscheidende Punkt.

Haben Sie nicht wiederholt gesagt, daß die Größe der Brüste Rückschlüsse auf den Verstand der Frauen zuläßt: je größer der Brustumfang, desto geringer der Verstand?

Machen wir es kurz: Warum sollte ich eine Frau haben, mit der ich mich gut unterhalten kann, die furchtbar intelligent, nicht wirklich eine Sexmaschine, nicht unglaublich wollüstig ist und dazu nicht eine ausgezeichnete Figur hat? Diese Punkte sind für mich das Wichtigste. Das bringt mich auf Touren, und deshalb suche ich mir derartige Frauen aus, mit denen ich auch für längere Zeit zusammenbleibe. Mit Melissa sind es bereits dreieinhalb Jahre. Sie ist diejenige, die ruft, komm rauf, ich will ein bißchen.

Besonders Frauen beschweren sich oft, daß Ihre Filme zu gewalttätig sind.

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Ich liebe meine Darstellungen von Gewalt. Sie sind sehr witzig, und wer sie ernst nimmt, ist selber schuld. Denken Sie nur an all die Blut- und Waffenfilme, die so populär sind. Damit habe ich nichts zu tun. Ich treibe die Komik bis an die Schmerzgrenze. Was nun die Frauen betrifft – in meinen Filmen sind sie immer smart, lüstern, sinnlich und tragen entsprechend wenig Kleidungsstücke. Die Männer sind sehr maskulin, aber dumm. Willige Opfer der Frauen. In „Die Satansweiber von Tittfield“ beispielsweise rechnen die Frauen gnadenlos mit den Männern ab. Übrigens werde ich von diesem Film ein Remake produzieren, ganz im Stile von Hitchcock, ähnlich wie in seinem Thriller „Der Mann, der zuviel wußte“. Mit einer anderen Schauspielerin, versteht sich, aber viele Einstellungen und Dialoge bleiben gleich. Der Schauplatz ist, wie schon oft in meinen Filmen, der Campus der Universität.

Sex und Gewalt sind in letzter Zeit sehr beliebte Themen in Hollywood. Was halten Sie von Filmen wie „91/2 Wochen“, „Basic Instincts“ oder „Sliver“?

Schaumschlägerei der billigsten Sorte. Was zeigen sie schon, hier eine Sekunde und dort eine Sekunde. Viel Lärm um nichts.

Welche Zusammenhänge bestehen Ihrer Ansicht nach zwischen Sex und Gewalt?

Ich will keine Korrelationen zwischen beiden ziehen. Wenn ich einen Film mache, dann einzig und allein zu dem Zweck, viel, viel Geld zu verdienen. Zwei Elemente sind dabei sehr hilfreich, nämlich Gewalt und Sex, aber mit viel Humor.

Ein Humor, der Comic strips sehr nahe kommt ...

Großen Einfluß auf mich hatte ein Cartoonist namens Al Capp. Ich weiß nicht, ob Sie seine Serien wie „Daisy Mae“ oder „Li'l Abner“ kennen. Ähnlich wie er übertreibe auch ich alles. Meine Filme muß man nicht ernst nehmen. Tatsächlich gibt es immer wieder Leute, die das versuchen.

Ihre Filme sind also nur reine Unterhaltungsfilme, die höchstens zur Masturbation im Wohnzimmer taugen?

Sagen wir es anders: Folgt man den Instruktionen meiner Filme, wird man ein guter Liebhaber.

Zurück zu Ihrem ausgeprägten Geschäftssinn: Bei der Produktion all Ihrer Filme hatten Sie da stets nur Ihr wachsendes Bankkonto vor Augen?

Nichts anderes! Die Frage war, wie viele Ärsche bekomme ich in die Kinosessel? Ich mache alles nur für Geld. Ich habe bereits viel Geld und bin sehr, sehr wohlhabend. Ich will nicht arm sein, schlechte Unterwäsche tragen und in einem dreckigen Appartement hausen. Ich lebe seit längerem in einem Haus, das mich eine Million Dollar gekostet hat. Ich liebe Geld und will davon soviel wie möglich. Deshalb muß ich weitermachen, mehr Geld zu verdienen. Das ist gut, stärkt das Ego.

Sie wissen sicherlich, daß man Sie in Deutschland früher mit einer Art Underground-Filmer mit Kultstatus verwechselte.

Der Begriff Underground ist vollkommen falsch. Meine Filme werden in den besten Theatern der Welt gezeigt und nicht in Hinterhöfen. In Frankreich beispielsweise betrachtet man mich als „auteur“. In den USA als einen Mann, der erfolgreiche Unterhaltungsfilme macht und einfach steinreich ist.

Sogar die linken Intellektuellen fanden Gefallen an Ihren Filmen...

Was für ein Unsinn. Ja, zu guter Letzt haben auch die Intellektuellen den Filmemacher Russ Meyer entdeckt, dessen Filme ganz und gar der Phantasie entsprungen sind. Aber, wie schon angedeutet, ich arbeite ausschließlich für Russ Meyer, der sehr konservativ ist. Ich habe Reagan und Bush gewählt und nicht Clinton. Ich bin zeit meines Lebens ein entschiedener Antikommunist gewesen, wie man ihn sich nicht besser vorstellen könnte. Selbst als ich in Rußland war, wetterte ich gegen die kommunistische Doktrin.

Was, glauben Sie, hält Ihr Liebling George Bush von Russ Meyer- Filmen?

Ich nehme an, er weiß nicht das Geringste von mir und meinen Filmen.

Denken Sie, sie könnten ihm gefallen?

Darüber möchte ich nicht sprechen, weil ich Bush sehr gerne mag und ihn verehre. Er war ein wichtiger Flieger während des Krieges, der viel Mut besaß. Was Herr Bush denkt, ist seine ganz persönliche Angelegenheit.

Ich will keine Schlüsse ziehen, aber Herr Clinton, da bin ich mir fast sicher, würde es gefallen, das eine oder andere Mal mit einer der Frauen zusammen zu sein, die ich in meinem Leben kennengelernt habe.

Was sonst kann ich schon sagen? Ich zahle meine Steuern und sage, was immer ich für richtig halte. Wenn ich Clinton nicht mag, dann sage ich es auch. Mir gefällt die Tatsache überhaupt nicht, daß er Präsident ist. Er war ja nicht einmal in der Armee.

Zeigen Ihre Filme nicht manchmal die negativen Seiten der Realität Amerikas, die offiziell gerne verleugnet werden?

Nein, nein. Ich zeige zwar oft Leute, die in heruntergekommenen, kaputten Häusern wohnen, irgendwo in kleinstädtischen und ländlichen Gebieten der USA. Aber die Frauen sind immer sehr schön und gut angezogen. Sie genießen ihr Leben und werden nicht durch Kochen oder Waschen bei ihren Vergnügungen gestört. Sie sind meist nur an Sex, Liebe oder Gewalt interessiert.

Während Ihres Aufenthaltes in Hamburg waren Sie auch auf der Reeperbahn. Hat Ihnen dieses Szenario gefallen?

Nein, überhaupt nicht. Ich finde, die Reeperbahn ist eine entsetzlich steife Angelegenheit, unfreundlich, unattraktiv, unsexy, ein ekelhafter, lausiger Ort, sein Geld auszugeben. Ich kenne die Reeperbahn noch aus den fünfziger Jahren, einer Zeit, als sie noch interessant war. Ich hatte meine 16-mm- Arriflex-Kamera in meiner Tasche versteckt. Eines der vielen Mädchen dort beobachtete mich, als ich die Tasche öffnete, um die Kamera einzuschalten. Sie schrie sofort los, und mir blieb nichts anderes übrig, als die Beine in die Hand zu nehmen, um nicht verprügelt zu werden.

Sie sind bekannt dafür, ein sogenannter workaholic zu sein. Ist dies das Erfolgsgeheimnis des Millionärs Russ Meyer?

Arbeit und Wurst, so erzählte mir mal ein Franzose, mache die Deutschen so erfolgreich. Und genau das sind die beiden Grundprinzipien von Russ Meyer: Ich esse leidenschaftlich gern und würde am liebsten immer arbeiten – einzig unterbrochen von gutem, aggressivem Sex natürlich.