Höchststrafen für Mörder von Mölln

■ Prozeß um rassistischen Brandanschlag endet mit „lebenslänglich“ und 10 Jahren Jugendstrafe

Schleswig (taz) – Entscheidend waren die Geständnisse. Die Richter des Zweiten Strafsenates des Oberlandesgerichtes in Schleswig hielten sie für wahr, obwohl die Angeklagten sie widerrufen hatten, und verurteilten gestern die beiden Angeklagten zu Höchststrafen. „Um den Wahrheitsgehalt der Geständnisse hat sich die Hauptverhandlung im Kern gedreht“, sagte der Vorsitzende Richter Herrman Ehrich in der Urteilsbegründung. Der Senat hat den 26jährigen Michael Peters zu einer lebenslangen Haft verurteilt, der 20jährige Lars Christiansen bekam als Heranwachsender zehn Jahre, die Höchststrafe nach Jugendrecht.

Die Richter folgten damit dem Antrag der Bundesanwaltschaft und der Nebenklagevertreter. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß Peters und Christiansen die Mörder von Mölln sind. Sie hatten im November letzten Jahres zwei von TürkInnen bewohnte Häuser mit Brandsätzen angegriffen. In den Flammen kamen die 51jährige Bahide Arslan und ihre Enkelinnen, die 10jährige Yeliz und die 14jährige Ayse, um. „Wir schließen nicht von der Gesinnung auf die Tat“, erklärte Ehrich und betonte: „Wir sagen nicht, sie sind die Täter von Mölln, weil sie aus ihrer rechtsradikalen Gesinnung gehandelt haben.“ Vielmehr habe die „menschenverachtende Gesinnung“, die mit der rechtsradikalen Einstellung der beiden verbunden sei, die Hemmschwelle herabgesetzt. Solche Taten könne man nur verüben, wenn einem das Schicksal der Menschen gleichgültig sei.

Das Gericht hatte keinen Zweifel daran, daß Peters und Christiansen vorsätzlich gehandelt haben. Es befriedige das Gerechtigkeitsgefühl nicht, daß Christiansen als treibende Kraft die geringere Strafe erhalte, meinte Ehrich. Das Gericht sah bei den Angeklagten ein ganzes Bündel von Motiven: In den Persönlichkeitsstrukturen der beiden lägen „die seelischen Wurzeln für die Tat“. Vordergründig sei Fremdenhaß im Spiel gewesen. Das zeigten das Anschlagsobjekt und die Anrufe bei Polizei und Feuerwehr, die mit „Heil Hitler“ endeten.

Es sei aber auch deutlich geworden, daß die „tiefere seelische Schicht“ der Angeklagten eine entscheidende Rolle gespielt habe. Der psychiatrische Gutachter hatte vermutet, daß das Attentat für Christiansen ein psychischer Befreiungsschlag war. Christiansen, der die meiste Zeit das Verfahren stoisch über sich hatte ergehen lassen, zeigte bei der Urteilsverkündung weder Überraschung noch Erschrecken. In seinem Schlußwort hatte er bereits angekündigt, er habe sich damit abgefunden, „unschuldig lange Jahre hinter Gittern zu sitzen“. Auch Peters verfolgte den 47. Prozeßtag so unbewegt wie die vorangegangen.

Sehr vorsichtig bewertete das Gericht den Einfluß der Pogrome von Rostock und der Asyldebatte. Es sei möglich, daß die Täter sich in ihrer Stimmung gegen Ausländer an der Spitze einer breiten Mehrheit der Bevölkerung wähnten. Die Angehörigen der türkischen Minderheit in Deutschland hätten das Urteil „mit Genugtuung“ aufgenommen, sagte Nebenklagevertreter Christian Ströbele. Das Urteil zeige, daß auch in einem solchen Verfahren Türken in Deutschland ihr Recht bekämen. Ahmed Arslan, der Mutter und Nichten durch die Morde verlor, kommentierte: „Damit sind wir zufrieden. Wir bitten darum, als Ausländer in Frieden leben zu können.“ Bascha Mika

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