Er kam über den Balkon ...

■ Einbrecher suchen immer zuerst im Wäscheschrank/ Kriminalität in Bremen, Teil 8

Wieso war sie aufgewacht? Die junge Frau lauschte in die Nacht, blinzelte ... und sah einen Fremden in der Schlafzimmertür stehen. „Hau ab, hier ist ein kleines Kind“, fiel der Schlaftrunkenen endlich ein. Dreist behauptete der Mann, die Tür habe offengestanden. Endlich ging er. Seitdem leidet die Frau unter Einschlafstörungen. Mittlerweile hat sie sich eine Vorhängekette gekauft und selber an Rahmen und Tür angeschraubt. „Das gibt einem das Gefühl, daß man immerhin noch zum Telefon rennen könnte.“ Sich bei der kriminalpolizeilichen Beratungsstelle Rat holen will sie nicht, „die sagen einem doch nur, daß man teure Schlösser kaufen soll“.

Damit hat sie wahrscheinlich nicht unrecht. In der kriminalpolizeilichen Beratungsstelle Bremens Am Wall 196 liegen in riesigen Vitrinen hunderte Schlösser und Riegel aus. Auf Demonstrationstüren sitzen dickarmig Türspaltsperren, Mehrpunktverrriegelungen ... Die drei Beamten beraten jedes Jahr rund 2.800 Firmen und Privatpersonen – zum Teil vor Ort. Seltener kommen Leute, die bereits beim Bauen an die Sicherheit denken, häufiger sind Einbruchsopfer oder die NachbarInnen von solchen, die nun auch beunruhigt sind.

Jürgen Fischer macht nicht nur technische Beratung, sondern gibt auch Verhaltenstips. Ihn wundert die Leichtsinnigkeit vieler Leute: „Unten ruft einer ,Stadtwerke', und oben brummt schon der Summer. Damit ist der Täter drin im Haus.“ Da wäre eine Türsperre wünschenswert, meint er, die gebe es bereits für 80 Mark. Was die Handwerker dann aber fürs Einbauen verlangen, weiß er nicht. Technisch rät er von Aluminiumbeschlägen ab, denn Alu wird leicht abgebogen, mit der Rohrzange kann dann der Zylinder abgebrochen werden.

Wo aber aufhören, wenn man einmal mit der Sicherung angefangen hat? Die zahllosen Broschüren der Beratungsstelle vermitteln erst so richtig das Gefühl der Bedrohung. An was ist nicht alles zu denken: „Außensteckdosen und Stromleitungen sollten von innen abschaltbar sein, damit Einbrecher keinen Kurzschluß verursachen oder Werkzeuge anschließen.“ Werkzeuge anschließen!

Tatsächlich wird in „wohlhabenden Häusern“ weniger eingebrochen, seit die technisch geschützt sind, weiß Klaus Kusche, Kommissariatsleiter Einbruch in Bremen. Natürlich gibt es auch „Techniker“, die sogar Alarmanlagen überwinden können, aber da kann er sich nur an einen einzigen Fall erinnern. Viel plumper ist dagegen das gängige Werkzeug, der „Kuhfuß“: eine Hebelstange mit scharfem Ende, das man zwischen Tür und Rahmen steckt.

Tags übrigens brechen eher Junkies ein, die schätzungsweise ein Drittel aler Einbrüche verüben. Die „Leute vom Fach“ kommen meist nachts – da ist das Risiko geringer, man muß allerdings möglichst geräuschlos arbeiten – zum Beispiel durch die Terassentür ein Loch bohren, um mittels einer Speiche den Terassentürhebel niederdrücken zu können. Die Fachleute halten sich auch eher an Häuser statt an Wohnungen, denn in Häusern schlafen die Leute oben, unten läßt sich ungestört „arbeiten“. Übrigens hauen die Täter „eigentlich“ immer ab, wenn sie ertappt werden, sagt Kommissar Kusche, „die Gewalt im Einbruchsbereich nimmt eindeutig nicht zu“.

Gestohlen werden besonders gern Videorecorder, aber auch Fernseher, neuerdings Computer, immer natürlich Schmuck. Geld finden Einbrecher nach wie vor meist im Schlafzimmerschrank zwischen der Wäsche. In Büchern dagegen, so Kusche, suche mit Sicherheit keiner nach Geld.

Technik schützt, ein bißchen mehr nachbarliche Aufmerksamkeit täte es oft aber auch schon, finden viele Beamte. Die Bremer Kripo klagt über die Gleichgültigkeit der Leute: „Die Nachbarn sagen oft, wir haben zwar ein Krachen dort gehört, aber wir kennen den eben auch nicht.“ Christine Holch