„Ich habe mich halt weiterentwickelt“

■ Roswitha Schlesinger, einst für Bayerns CSU umtriebig, hat dem 12.000-Seelen-Kaff Klein-Machnow bei den Kommunalwahlen 23 Prozent PDS-Wählerstimmen beschert

Mit zuversichtlichem Blick schaut der CDU-Bürgermeisterkandidat auf sein Wahlvolk. „Auf geht's“ lautet die wenig verheißungsvolle Botschaft des grauhaarigen Herren. Das Wahlplakat droht bald vom Baum zu fallen – ein Bild mit Symbolcharakter. In dem Ort südlich von Berlin verlor die CDU bei den Kommunalwahlen über zwölf Prozent der Wählerstimmen und liegt jetzt nur noch bei 13 Prozent. Stärkste Partei in der Gemeinde ist nun die PDS mit 23 Prozent.

Wesentlichen Anteil an diesem Erfolg hatte die PDS-Bürgermeisterschaftskandidatin Roswitha Schlesinger. Sie lebt erst seit zwei Jahren in Klein-Machnow. „Aber durch einen Kraftakt in den letzten Wochen vor der Wahl mit täglich bis zu sieben Terminen ist es mir gelungen, das Vertrauen der Wähler zu gewinnen“, sagt die Politikerin. Ihr Eintreten für die SED- Nachfolgepartei erregte großes Aufsehen: Vor einigen Jahren zog die 42jährige Diplom-Verwaltungswirtin noch für die CSU in den Gemeinderat ihrer Heimatstadt Neuburg-Donau ein. „Ich habe mich halt weiterentwickelt“, kommentiert die Frau ihren Sinneswandel. „Die PDS ist die einzige Partei, die die Sorgen und Nöte der Bürger ernst nimmt“, behauptet sie. Den Erfolg der PDS sieht sie in den Versäumnissen der Bonner Regierung begründet.

In Klein-Machnow war die Frage der Eigentumsregelung das beherrschende Wahlkampfthema. In dem Ort, der 12.000 Einwohner zählt, müßten wahrscheinlich 8.000 Menschen befürchten, ihr Zuhause zu verlieren, meint Wolfgang Schubert von der Wählergruppe „Klein-Machnower Bürger gegen Vertreibung“ (KGBV). Obwohl sich diese Gruppe erst im September gegründet hat, wählten 22 Prozent der Bürger diese Initiative. Maximilian Tauscher von der CDU glaubt, daß mit der Angst der Bürger Wahlkampf betrieben worden sei. Er meint, daß die Zahl der vom Verlust ihrer Wohnungen bedrohten Bürger wesentlich geringer sei. Außerdem blieben selbst bei einer Rückgabe an die alten Besitzer die bisherigen Mietverhältnisse bestehen. „Selbst bei einer Rückgabe heißt das doch nicht, daß die Leute sofort ihre Wohnungen verlassen müssen“, sagte Tauscher der taz. Er räumte aber ein, daß einige Mieter durch Psychoterror aus ihren Wohnungen getrieben worden seien. Bislang hätten etwa 100 Mieter ihre Wohnungen in Klein-Machnow verlassen, sagt Schubert. Seiner Meinung nach würden die Besitzer nach der Rückgabe die Grundstücke verkaufen, weil ein Einfamilienhaus mit Garten bis zu 750.000 Mark wert sei.

Roswitha Schlesinger sieht in der Klärung der ungeklärten Eigentumsfragen ihr wichtigstes politisches Ziel. In dieser Angelegenheit möchte sie „völlig neue Wege gehen“, ohne sich vorerst näher dazu äußern zu wollen. Daß die anderen Parteien im Gemeinderat, SPD, KGBV, Bündnis 90/Grüne, CDU und die Unabhängige Wählergemeinschaft Klein-Machnows (UWK), ihr auf diesen Wegen folgen werden, ist eher unwahrscheinlich. Wolfgang Blasig (Bündnis 90/Grüne), bei der Stichwahl um das Bürgermeisteramt am 19. Dezember Konkurrent von Schlesinger, lehnt eine Koalition mit der PDS jedenfalls ab. Auch die Tatsache, daß SPD, CDU und KBGV Wolfgang Blasig als Bürgermeister empfehlen, spricht nicht für eine Koalition der bürgerlichen Parteien mit der PDS.

Seitens Schlesinger gibt es keine Kontaktängste: „Die PDS wird mit allen, die konstruktiv arbeiten wollen, zusammengehen.“ Sie befürchtet aber, daß es in Klein- Machnow zu einer „Nationalen Front“ komme. Eine Überraschung wäre das nicht, denn bereits in den letzten vier Jahren regierten SPD, CDU, FDP und Bündnis 90/Grüne zusammen und ließen die PDS, nach den Wahlen 1990 drittstärkste Partei, außen vor. Thomas Nagel