Neuanfang mit Gerster

■ CDU in Rheinland-Pfalz erwählte sich neuen parteirechten Landesvorsitzenden

Trier (taz) – In Rheinland-Pfalz drehte sich am Wochenende das Personalkarussel der CDU. Mit der Wahl Johannes Gersters zum neuen Landesvorsitzenden versuchen die Christdemokraten zum dritten Mal einen personellen Neuanfang nach dem Sturz von Bernhard Vogel vor fünf Jahren einzuläuten. Zu diesem Neuanfang gehörte auch, daß die beiden bisherigen Unions-Spitzen, Fraktionschef Hans-Otto Wilhelm, der 1988 mit seiner Kampfkandidatur maßgeblich an der Demontage Vogels beteiligt war, und der Landesvorsitzende Werner Langen sich von ihren Ämtern verabschiedeten. Immerhin strebt die Landespartei eine Rückkehr aus der politischen Versenkung an. Gerster erhielt bei der Wahl 96 Prozent aller Delegiertenstimmen. Gerissen hatte er sich um den neuen Posten nicht. Der neue Spitzenmann, zuvor stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wäre lieber in Bonn geblieben. Auch mit der Kandidatur zum Mainzer Oberbürgermeister hatte er gespielt. Auf Drängen Helmut Kohls aber trat er den Gang in die Provinz an.

Und in der Provinz gab sich der ausgewiesene Parteirechte prompt kompromißlos: „Sie werden einen unbequemen Landesvorsitzenden erhalten, wenn hier künftig die schlichten Regeln menschlichen Anstandes und parteipolitischer Freundschaft nicht beachtet werden“, drohte er. Gerster forderte, „die vorbehaltlose Unterstützung“ der gesamten Partei für einen „wirklichen Neuanfang“ und eine „totale Umkehr“ gegenüber dem bisherigen Kurs ein.

Diesem beschwörerisch verkündeten „Neubeginn“ vorausgegangen war ein jahrelanger Machtkampf innerhalb der Landespartei, an dessen Ende die beiden verfeindeten Hauptprotagonisten Wilhelm und Langen nun als Verlierer dastehen. Beide hatten – mit Blick auf den jeweils anderen – stets das „große Ausmisten“ gefordert. Daß sie dabei selbst aus der Landespolitik herausgefegt würden, hatten sie nicht erwartet. Mit Hilfe eines unter Kohls Regie geschnürten „Befriedungsprogramms“ zur Rückkehr an die Macht wurde Langen bereits mit dem ersten Platz auf der Landesliste für die Europawahl abgefunden. Wilhelm wird mit einem Bundestagsmandat im Wahlkreis Gersters weggelobt. Neuer Fraktionschef wird der Landtagsabgeordnete Christoph Böhr.

Den Abgang von der Landesbühne gestaltete jeder der beiden ehemaligen baden-württembergischen Spitzen nach seiner Façon. Während Langen selbstmitleidig mit einem hölzern verlesenen Rechenschaftsbericht aufwartete, gab sich Wilhelm aggressiv. In Sachen Scharping nahm er kein Blatt vor den Mund: „Dagegen ist der Pfau ein häßliches Tier, wenn man sieht, wie Scharping durch die Landschaft stolziert.“ Die SPD-Linke halte nur vorübergehend „ihr Maul“ und werde Scharping schon noch zu schaffen machen.

Mit Gerster, der in CSU-Manier ankündigte, das Thema „Ausländer und Überfremdung“ zum Wahlkampfhit zu machen, hat die Partei sich nun einen knallharten Rechtskonservativen zum Vormann gewählt, der gleichzeitig mit einer demonstrativ dargebotenen Mainzer Gemütlichkeit die momentanen Bedürfnisse der Partei nach Einheit ausdrückt. Thomas Krumenacker