Bei Hempels

■ Das "Volkskino - Zwo" zeigt deutsche Amateurfilme aus fünf Jahrzehnten

In Familienalben sieht's doch immer gleich aus. Die vielen Bilder, die in den Alben so fein säuberlich archiviert und sorgsam wie ein kostbares, höchst persönliches Gut gehütet werden, gleichen sich letztlich wie ein Ei dem anderen: die Hochzeit, das erste Kind, der Urlaub in Italien – die Motive, die ins Familienarchiv wandern, lassen sich an einer Hand abzählen. Und was fürs Familienalbum gilt, stimmt für den Amateurfilm allemal.

Als der SFB vor drei Jahren per Zeitungsannoncen und TV-Spots nach Amateurfilmen aus der ehemaligen DDR fahndete, wurden mehr als 300 Stunden Film eingeschickt; die Themen waren immer dieselben: Feste, Familie, Freunde – das ist es, was den Amateur zum Filmen lockt. Der SFB hatte damals aus dem eingeschickten Material, das die Zeit von 1945 bis in die achtziger Jahre hinein abdeckte, die vierteilige Sendereihe „Volkskino – Amateurfilme aus der DDR“ zusammengeschnitten und vorgeführt, wie der ostdeutsche Amateurfilmer sich und seine Welt am liebsten sah.

Auf Initiative des MDR wird das Projekt nun mit „Volkskino – Zwo“ in leicht veränderter Fassung fortgesetzt. Diesmal geht es in drei weiteren Sendungen nicht nur um Bilder aus der ehemaligen DDR; es wurden Amateurfilmemacher in ganz Deutschland angesprochen. Doch wieder ist das zusammengestellte Material kein systematischer Aufriß deutscher Geschichte, kein repräsentatives Dokument bundesrepublikanischer Wirklichkeit. Vielmehr sind die eingeschickten Filme Momentaufnahmen, Schnappschüsse und nicht zuletzt private Wunschbilder eines geglückten, weil sorglosen Lebens.

Wie in den Fotoalben, so erfahren wir auch in den Amateurfilmen nicht, wie's bei Hempels hinterm Sofa aussieht. Bevor Papa mit der Kamera kam, wurde erst mal kräftig aufgeräumt. Wenn Otto Huhn etwa den Weihnachtsabend im Kreis der Familie filmt, sind die Szenen inszeniert und arrangiert – der Auftritt des Weihnachtsmanns im Bademantel und mit dem Kaffeewärmer auf dem Kopf ist gar wiederholt gedreht. Was die Familie Huhn auf ihrem 16-mm-Zelluloid festgehalten hat, ist weniger der Längsschnitt durch das Leben einer Berliner Familie von 1934 bis 1961 als vielmehr der Traum derselben: Elfriede am Kaffeetisch in der guten Stube, Wochenendfahrten mit dem Auto, Ingeborg bei der Einschulung, Ostseeferien in Lubmin...

Es kennzeichnet die filmischen Tagebücher der Amateure, daß sie genau das von den Bildern fernhalten, was doch jene Jahre so überdeutlich prägte: Aufmärsche, Propaganda, Krieg und dann die Trümmer – sie kommen im Album der Gebrüder Huhn schlicht nicht vor. Andrea Kern

Im MDR laufen die drei Folgen heute, am 22. und 29. Dezember jeweils um 22.20 Uhr; im SFB am 2. und 4. Januar um 22.15 Uhr, am 6. Januar um 23.15 Uhr