Mit Öko-Abgaben lenken

These 2: Zusätzliche Einnahmen aus Öko-Steuern und Abgaben für den ökologischen Umbau nutzen  ■ Von Heiner Jüttner

Die zunehmenden Umweltprobleme zeigen, daß alle bisherigen Schritte zum Schutz der Umwelt unzulänglich waren. Durchgreifendes Handeln ist geboten, das Ordnungsrecht (Grenzwerte, Auflagen, Verbote usw.) reicht nicht mehr aus, es muß um ein System von Umweltabgaben (Öko-Steuern und Sonderabgaben) ergänzt werden. Umweltschädliches Verhalten muß teuer, umweltverträgliches dagegen relativ oder gar absolut billiger werden.

Wer die Grenzwerte und Auflagen einhält, kann derzeit Umwelt und Natur kostenlos nutzen und verschmutzen. Die Kosten der entstandenen Schäden werden der Allgemeinheit oder künftigen Generationen aufgebürdet. Der Produktionsfaktor Umwelt wird künstlich billig gehalten gegenüber den Faktoren Arbeit und Kapital. Ein angemessener Preis für die Nutzung der Umwelt fehlt.

Umweltabgaben können neue, andere Preissignale setzen und so ökologisch lenken, zuordnen und finanzieren:

– Lenken heißt, daß ökologisch erwünschtes Verhalten erreicht wird, weil Menschen oder Firmen der Abgabenlast ausweichen wollen.

– Zuordnen bedeutet, daß der Verursacher bislang nicht erfaßter Umweltkosten klar wird und für die Kosten bezahlt.

– Finanzieren schließlich besagt, daß umweltschädliches Verhalten einen Finanzbeitrag zur Minderung und Beseitigung von Umweltschäden leisten soll.

Die Notwendigkeit von Umweltabgaben wird heute kaum mehr bestritten, nur an der Umsetzung hapert es. Geeignet und vordringlich sind Umweltabgaben im Verkehrssektor (merkliche Anhebung der Mineralölsteuer, transportleistungsbezogene Schwerverkehrsabgabe, Nahverkehrsabgabe in Großstädten) und im Energiebereich (Primärenergiesteuer auf fossile Brennstoffe und Atomkraft, Emissionsabgaben auf SO2, NOx und Stäube), dazu Abfallabgaben und eine verschärfte Abwasserabgabe. Das jährliche Aufkommen wird sich je nach Abgabenvielfalt und -sätzen zwischen 100 und 200 Milliarden Mark bewegen.

Die Frage, ob eine Ausgestaltung als Steuer oder als Sonderabgabe zweckdienlicher ist, bleibt dabei nachrangig. EG-rechtlich sind beide Arten zulässig, sofern sie aus Umweltgründen erhoben werden, ausländische Anbieter nicht diskriminieren und keinen Grenzausgleich erfordern.

Wirkungsvolle Umweltabgaben bedingen spürbare Abgabensätze, dies führt zumindest anfangs zu beachtlichen Einnahmen. Deren Erzielung steht bei Umweltabgaben allerdings nicht im Vordergrund. Es geht nicht darum, künstliche Belastungen für Wirtschaft und Verbraucher zu schaffen. Umwelt- und Naturschutz sind andererseits nicht kostenlos zu haben. Dies führt zur Diskussion um die Verwendung des Abgabenaufkommens, um Kompensationszahlungen und um Aufkommensneutralität.

Trotz der verschärften Debatte um den Wirtschaftsstandort Deutschland und um hohe Abgabenquoten gibt es keinen hinreichenden Grund, die so erzielten Einnahmen an anderer Stelle zurückzugeben: die Abgaben sollen für den ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft ausgegeben werden, Rückgabe bzw. Ausgleich dürfen nur in eng begrenzten Härtefällen in der Übergangszeit des ökologischen Strukturwandels erfolgen. Woher sollten ansonsten die nötigen Gelder für eine Wende in der Verkehrs-, Energie- und Abfallpolitik, für Sanierungen, Renaturierungen und Naturschutz kommen?

Ein solcher Mitteleinsatz sichert eine doppelte Wirkungsweise, nämlich durch die Lenkungsfunktion der Abgabe und durch die Förderung umweltverträglicher Produkte und Verfahren. Für eine enge Zweckbindung spricht auch eine Reihe weiterer Gründe:

1. Das Aufkommen aus Umweltabgabe ist schwer kalkulierbar. Mit wachsendem ökologischem Bewußtsein und Verhalten sinkt es. Steuereinnahmen mit rückläufiger Tendenz stellen aber einen Unsicherheitsfaktor für die öffentliche Finanzplanung dar. Werden sie jedoch zweckgebunden eingesetzt, so ist ein Rückgang hinnehmbar, da dieser mit einer schonenderen Behandlung von Umwelt und Natur einhergeht.

2. Umweltabgaben sollen ökologische und nicht fiskalische Zwecke verfolgen. Andernfalls entsteht die Gefahr, daß ihre Einführung bzw. Ausgestaltung unter sachfremden Erwägungen erfolgt, wie es in den vergangenen Jahren bei der Erhöhung der Mineralölsteuer erkennbar war. Umweltabgaben eignen sich nicht dazu, Haushaltslöcher zu stopfen oder soziale Gerechtigkeit zu finanzieren.

3. Eine irgendwie geartete Rückgabe des Aufkommens an die Abgabepflichtigen würde dem Verursacherprinzip widersprechen und die Lenkungswirkung der Abgaben mindern: Die Preiselastizität der Nachfrage nach einem Produkt – also der Verzicht, weil das Produkt durch die Abgaben teurer wird – würde durch anderweitige Einkommensverbesserungen teilweise wieder aufgehoben.

4. Eine Kompensation durch Entlastungen bei anderen Steuern würde Verteilungsprobleme und -ungerechtigkeiten aufwerfen. So würden bei einer Minderung der Unternehmungsbesteuerung nur die Betriebe, nicht aber die Verbraucher begünstigt. Bei einer Senkung der Einkommensteuer würde die Entlastung wegen der progressiven Steuersätze für Gutverdienende besonders hoch ausfallen, während die Nicht-Steuerpflichtigen gar keinen Ausgleich erhielten.

5. Die politische Durchsetzbarkeit von Umweltabgaben und ihre Akzeptanz in der Bevölkerung sind allen Umfragen zufolge um so höher, je nachweislicher die Gelder zugunsten konkreter Umweltverbesserungen eingesetzt werden.

6. Ein zweckgebundener Einsatz des Abgabenaufkommens nutzt Wirtschaft und Bevölkerung in vielfacher Weise. Wer sich umweltgerecht verhält, profitiert unmittelbar, zum Beispiel durch günstige Bus- und Bahntarife und Verbesserungen im öffentlichen Verkehrsangebot oder durch Subventionierung umweltschonender Verfahren. Alle kommen zudem in den Genuß einer „ökologischen Dividende“ durch sinkende Kosten für umweltbedingte Krankheiten, Waldschäden, Gebäudesanierungen, Trinkwasseraufbereitung, Abwasserreinigung, Abfallbeseitigung, Altlastensanierung und andere Umweltschäden.

7. Umweltabgaben stellen keine unzumutbare Belastungen der Wirtschaft dar, die ausgeglichen werden müßten:

– Vielfach können (und sollen) ihnen die Betriebe durch Produktionsumstellungen ausweichen. Von Umweltabgaben dürften daher wirksame Impulse für neue Produkte und Technologien ausgehen, die einen Wettbewerbsvorsprung schaffen.

– Ein Großteil der Abgabenlast kann auf die Endverbraucher abgewälzt werden. Um die angestrebte Lenkungswirkung zu erzielen, ist dies auch notwendig.

– Auch ordnungsrechtliche Maßnahmen, auf die sich die Umweltschutzpolitik bislang konzentrierte, haben ihren Preis.

– Vielfach sind Umweltabgaben als Betriebsaufwand bzw. als Werbungskosten steuerlich absetzbar. Schätzungen ergeben, daß dies für 50 bis 70 Prozent aller Zahlungen gilt, entsprechend sinkt das Aufkommen an Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer. Dies erfordert übrigens Finanzausgleichsmaßnahmen, die die Verfügungsmasse aus Umweltabgaben merklich mindern.

Heiner Jüttner ist Wirtschaftswissenschaftler. Er war von 1988 bis 1990 wissenschaftlicher Referent der Grünen im Bundestag und ist heute Beigeordneter der Stadt Aachen.