River-Cola und Hitlergruß

■ Bremen nebenan: 13jährige Gören und ihre geheimen Spiele, z.B. die „Bardai-Bardy“

“Wir müssen ja Männer sein“, erklärt Georg, die in Wirklichkeit Ulrike heißt. „Nur Männer machen Karriere, der Adolf, der Erich und so.“ Andreas und Claus alias Andrea und Claudia nicken: „Is ja allet nur Spaß!“

Die drei 13-jährigen Mädchen aus meiner Nachbarschaft treffen sich regelmäßig zu einem makaberen Spiel. Es heißt in ihrem halb sächsischen, halb berlinerischen Jargon: „Bardai-Bardy“ – Parteiparty. Bei Ibo-Chips, River-Cola und Mauritius-Schokolade von Aldi („Sonst ist es nicht echt“) geben sie sich als Mitglieder der erfundenen „Deutschen Demokratischen Partei“, um in der Rolle von höchst beschränkten, ehemaligen Ostlern die fiesesten rechtsradikalen Sprüche zu klopfen.

„Ich stelle mir immer den besoffenen Mann mit der vollgepinkelten Jogginghose vor, der vor den brennenden Asylheimen den Hitlergruß machte“, sagt Georg-Ulrike „dann weiß ich genau, was der Georg für einer ist“. Einer, der Deutschland mit „uffgebaut“ hat - „ooch wenn wir Ostler ja erst später dazugestoßen sind, haha“. Einer, der „Kanaken raus“ brüllt und gleichzeitig den „ollen Erich“ wiederhaben will. Andreas-Andrea gibt ihren Teil dazu: “Heitmann, der war okay als Präsident, der sachte doch och, daß wir die Vergangenheit vergessen sollen, und daß die Frauen hintern Herd gehören.“ Und dann lachen sich die drei Waller Schülerinnen schlapp, auch Claus-Claudia, die sich aus den Wortgefechten schüchtern raushält. „Der Claus ist ja unser Mitläufer, nich wahr?“

Sie haben sich mühsam Parteibücher gebastelt, beschmieren alte T-Shirts mit rassistischen Texten und Hakenkreuzen, und schreiben „Bardai-Bardy“-Protokolle: “Heute wieder ein voller Erfolg bei viel River-Cola, haben Führers Geburtstag gefeiert, obwohl gar nicht der 20. April ist.“ Sie schenken sich schwarz-rot-goldene Portemonnaies und Feuerzeuge, die sie nie öffentlich benutzen, und haben eine Deutschlandfahne auf dem Flohmarkt gekauft.

Auf die Frage, ob sie sich nicht schämen, diese Ostler-Nazis zu spielen, beteuern alle drei, sie seien ganz gewiß nicht rechts und auch nicht ausländerfeindlich. „Kann ich ja gar nicht“, sagt Andrea, „ich bin ja selbst Ausländerin.“ Nur auf Demos würden sie nicht gehen, daß sei „öko“. Claudia ist in einen türkischen Jungen verliebt, und Ulrike meint: „Türkisch sein ist viel besser als Kartoffel (das heißt Deutscher). Die Türken sehen viel besser aus und haben die geilen Klamotten. Türke sein ist in.“

Und Nazi sein, ist das auch „in“? – „Nee, dette nu nich. Is ja doch allet nur Spaß! Bald hörn wir uff damit. Dann sind wir vielleicht Kurden.“ Cornelia Kurth