Europäischer Druck auf Moslems wächst

■ EU-Außenminister in Brüssel setzen auf serbisch-kroatisches „Angebot“

Brüssel/Genf (taz) – Bei ihren Verhandlungen mit den Führern der bosnischen Kriegsparteien erklärten gestern die zwölf Außenminister der Europäischen Union zwar, daß sie die Ablehnung der Moslems verstünden. Gleichzeitig wurde deutlich, daß der Druck auf die Moslems wächst, die serbisch- kroatische Offerte vom Vortag zu akzeptieren.

Das serbisch-kroatische „Angebot“ an die bosnische Regierungsdelegation hatte diese in der Nacht zuvor in Genf als „unakzeptabel“ abgelehnt. Das „Angebot“ sieht zwar insgesamt 33 Prozent des bosnischen Territoriums für die künftige bosnisch-muslimische Teilrepublik vor. Doch die von Serben und Kroaten zusätzlich zum bisherigen UNO/EU-Dreiteilungsplan zugestandenen drei bis vier Prozent Territorium befinden sich fast ausschließlich in Zentralbosnien, und kaum in Ostbosnien, und zudem ausschließlich nicht an den von der bosnischen Regierung geforderten Orten.

Zudem sollen zu der bosnisch- muslimischen Teilrepublik lediglich zwei der drei muslimischen Enklaven in Ostbosnien – Goražde und Zepa – gehören. Srebenica wollen die Serben ihrer Teilrepublik eingliedern. Auch der bereits im September zwischen allen drei Seiten fest vereinbarte Verbindungskorridor zwischen der bosnisch-muslimischen Teilrepublik und dem Save-Fluß bei Brcko im Norden taucht in dem „Angebot“ nicht mehr auf.

Zudem bestehen die Serben auf der sofortigen Teilung Sarajevos im Verhältnis zwei zu eins zwischen Muslimen und Serben und die Kroaten auf der umgehenden Teilung Mostars entlang des Neretva-Flusses. Die bosnische Regierung wie die EU lehnen die Teilung ab und fordern eine zweijährige Administration durch die UNO (Sarajevo) und die EU (Mostar).

Schließlich wollen die Kroaten der bosnisch-muslimischen Teilrepublik lediglich die Mitnutzung des Adria-Hafens Ploce einräumen, nicht jedoch – wie von der EU verlangt – zusätzlich auch einen Adria-Zugang auf der Halbinsel Prevlaca südlich von Dubrovnik. Der bosnische Ministerpräsident Silajdzić machte in Brüssel deutlich, daß der neue Vorschlag keine Annäherung bedeute, weil die Moslems nicht irgendwelche Gebiete forderten, um ihr künftiges Staatsgebiet auszuweiten, sondern daß sich die drei bis vier Prozent auf ganz konkrete Gebiete bezögen. Dabei gehe es um Regionen, die vor dem Krieg von Moslems bewohnt waren und die besonders stark von der sogenannten ethnischnen Säuberung betroffen seien. Diese Gebiete müßten von den Serben zurückgegeben werden, damit die vertriebenen Moslems dorthin zurückkehren könnten. Die von den Serben und Kroaten angebotenen Flächen seien dagegen entweder von Serben bewohnt oder in schwer zugänglichen Regionen.

Bundesaußenminister Kinkel räumte gestern in Brüssel ein, daß die EU die bosnische Argumentation nachvollziehen könne, betonte aber, daß dem bosnischen Verlangen die humanitären Kosten des Krieges gegenübergestellt werden müßten. Beobachter werteten die Zwischentöne als Hinweis, daß die EU mangels Druckmöglichkeiten gegen die Serben nun verstärkt auf ein Einlenken der Moslems setzt. Alois Berger/Andreas Zumach