: Erst Eltern, dann Gemeinde
■ „Kill The Nation With A Groove“ versammelt zu Weihnachten die HipHop-Hörigen zum X-Mas-Jam
Kann man ausgerechnet das Familienfest Weihnachten politisch korrekt feiern? Unter dem Motto „Kill The Nation With A Groove“ treten am 2. Weihnachtsfeiertag insgesamt zehn deutsche Bands zu einem anti-nationalen Fest an. „Das Motto kontrastiert“, laut Veranstalter und Labelchef Ale Sexfeind, „den Funkadelic-Song 'One Nation Under A Groove' mit den rechtsradikalen Mordbrennern von Mölln und Solingen“, die Anfang 1993 im Namen des Nationalen die Wohnhäuser ausländischer Mitbürger in Brand setzten. Ein monströser Begriff von Nation mit dem Sexfeind und die Bands des „Kill The Nation“-Projekts nichts zu schaffen haben wollen. Auf dem Cover des gleichnamigen Samplers attackiert so auch ein DJ musikalisch ein Monster mit lodernder Deutschland-Fahne, Springerstiefeln und Hakenkreuz.
Hamburger Bands wie die Absolute Beginner werden auch an Weihnachten über Deutschland rappen: Ein Staat, „dessen Polizisten Faschisten beschützen; bei linken Künstlern, die ein Haus besetzen aber 'Sofort raus!' brüllen.“, wie es zusammengefaßt in „Keine“, ihrem Beitrag zum Sampler heißt. Zwei Bands aus Ottensen (No Remorze, Direct Action) verleihen ihrer Wut über eine solche Nation eher musikalisch Ausdruck - mit kompromißlosem, hochmotorigem Industrial im Stil von Consolidated. „Ottensen scheint ein hartes Pflaster zu sein“, kommentiert Ale Sexfeind die extremen Ausdrucksformen der beiden Gruppen.
Auf der anderen Seite werden aber unter anderem von der Essener Band Weep Not Child entspanntere, jazzigere Töne angeschlagen. Der Höhepunkt des Weihnachtsabends wird aber der Auftritt von Cora E. mit dem „NDR-Kopfhörer“ Marius sein. Die Heidelberger Krankenschwester muß sich vor Queen Latifah nicht verstecken und zeigt sich in punkto Reimtechnik und Aussage den meisten männlichen Kollegen überlegen.
„Die Bands feiern am 24. noch brav mit den Eltern“, beschreibt Sexfeind zusammenfassend die recht jungen Musiker, „um dann bei X-Mas Jam mit der anderen Familie zu feiern, der Hip-Hop-Community.“ Eine Familie, die sich über das gemeinsame Interesse an Rap, Breakdance, Graffiti und Scratching an einen Tisch setzt und dabei nicht in nationalen Kategorien denkt, was auch die Einladung der Londoner Brit-Corer Killa Instinct zum Weihnachts-Jam untermauert.
Volker Marquardt
24.12., Markthalle, 21 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen