Dieter Heckelmann im Abschiebetaumel

■ Berlins Innensenator hebt inoffiziellen Abschiebestopp für Angolaner auf / Die flüchten zum zweitenmal – in die Kirche

Menschenrechtsorganisationen schätzen, daß im bürgerkriegsgebeutelten Angola in den letzten 18 Monaten etwa anderthalb Millionen Menschen getötet wurden. Trotzdem lassen deutsche Politiker Flüchtlinge nach Angola abschieben. So hob Berlins Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) still und heimlich am 16. Dezember den inoffiziellen Abschiebestopp nach Angola auf. Der war nach einer Sitzung des Ausländerausschusses des Abgeordnetenhauses Anfang November beschlossen worden – zumindest so lange, bis das Auswärtige Amt dem Innensenator einen aktuellen Lagebericht zuschickt. Seit Mitte Dezember liegt der gewünschte Bericht Heckelmann vor. Und nur ihm. Der Christdemokrat interpretierte die Bonn-Botschaft in gewohnt rigider Weise und ohne Abstimmung mit dem Parlament, das den Bericht bis heute nicht kennt. Es gebe keine Abschiebungshinderungsgründe im engeren Sinne, ließ Heckelmann am 21. Dezember die Mitglieder des Ausländerausschusses per Post wissen. Er sehe deshalb keinen Anlaß, den Asylsuchenden aus Angola aus humanitären Gründen eine Duldung auszusprechen. Das Wort Bürgerkrieg verwendete er nicht.

Heckelmanns einsam gefällter Beschluß bedeutete für 15 Flüchtlinge aus Angola höchste Not. Ihre Asylanträge waren bereits abgelehnt, mit einer Abschiebung während der Weihnachtstage mußten sie rechnen. Gerettet wurden sie – vorerst – von Berliner Kirchengemeinden. In der Flüchtlingsarbeit engagierte Personen holten die bedrohten Angolaner, darunter Familien mit Kindern, an Heiligabend aus ihren Asylunterkünften und brachten sie „anderweitig“ unter. Laut Traudl Vorbrodt vom Flüchtlingsrat leben in Berlin außer den bereits abgelehnten angolanischen Asylbewerbern noch weitere 163 Menschen aus dem westafrikanischen Bürgerkriegsland. Ihre Verfahren sind noch nicht beendet, können es aber bald sein. „Mir ist es ein Rätsel, wie Heckelmann aus den dürftigen Informationen des Auswärtigen Amtes herausliest, daß Angola ein sicheres Land ist“, sagte sie zur taz.

Auch Eckhardt Barthel, ausländerpolitischer Sprecher der SPD- Fraktion, will Heckelmanns Alleingang nicht hinnehmen. Solange die Sicherheit der zurückgeschickten Flüchtlinge in Angola nicht gewährleistet sei, dürften keine Abschiebungen aus Berlin erfolgen. Eine generelle, über die Einzelfallprüfung hinausgehende Lösung hält er derzeit für schwierig durchzusetzen. In Deutschland habe kein einziges Bundesland einen Abschiebestopp nach Angola beschlossen.

Eine politische Lösung fordert auch sein FDP-Kollege Thomas Seerig. Eine Abschiebung der angolanischen Flüchtlinge ohne parlamentarische Beratung und ohne Prüfung durch ein Härtefallgremium sei nicht zu akzeptieren und ein „neuer Fall treu-deutsch-bürokratischer Imhumanität“. Für die 15 versteckten Personen müße eine „humanitäre Lösung“ gefunden werden. „Es geht nicht an, daß Asylbewerber bei Kirchen erneut um Asyl nachsuchen müssen, weil der Innensenator in eine Art von Abschiebetaumel verfallen ist.“ Das Thema angolanische Flüchtlinge wird auf der nächsten Sitzung des Ausländerausschusses im Januar Haupttagungspunkt sein. Anita Kugler