Hofgang für Birgit Hogefeld

Die Haftbedingungen der früheren RAF-Aktivistin werden geringfügig gelockert: Nach drei Monaten Isolation jetzt täglich eine Stunde Hofgang mit anderen Untersuchungsgefangenen  ■ Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) – Die während des GSG-9-Einsatzes von Bad Kleinen Ende Juni festgenommene Birgit Hogefeld kann nach über drei Monaten strikter Isolationshaft in ihrer Zelle in der JVA Bielefeld- Brackwede wieder täglich eine Stunde ins Freie. Erstmals muß sie nicht mehr allein ihre Runden drehen, sondern kann mit anderen weiblichen Untersuchungsgefangenen gemeinsam am Hofgang teilnehmen. Das beschloß nach einer ganzen Serie von Anträgen der Frankfurter Anwältin Ursula Seifert der zuständige Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Der Beschluß ging gestern bei der Anwältin der Inhaftierten ein.

Zuvor hatte die frühere RAF- Aktivistin Isolationshaft-Bedingungen unterlegen, die in dieser Rigidität bei keiner/m anderen Inhaftierten aus der RAF mehr angewandt werden. In einem acht Punkte umfassenden „Haftstatut“ hatte der BGH bereits Ende Juli verfügt, „die Beschuldigte von anderen Gefangenen und der Außenwelt streng getrennt zu halten“. Diesen Grundsatz legte der Karlsruher Richter in einer Serie nachfolgender Beschlüsse jeweils zuungunsten der Gefangenen aus. Die Abtrennung bedeutete praktisch, daß Birgit Hogefeld zu keinem Zeitpunkt ihre Mitgefangenen zu Gesicht bekam.

Bis Mitte September stand ihr ein einstündiger täglicher Einzelhofgang zu. Dabei kam es nach Angaben der RAF-Gefangenen zu einem kurzen, banalen Gespräch mit einer älteren Inhaftierten, deren Zellenfenster in Richtung Hof liegt. Der Vorfall führte dazu, daß Birgit Hogefeld sich – mit Unterbrechungen zum Duschen oder für Besuchstermine – 24 Stunden täglich in ihrer besonders gesicherten, mit Betonvergitterung und einer Gegensprechanlage ausgestatteten Zelle aufhalten mußte. Die Gefangene hatte nicht versprechen wollen, Kontaktaufnahmen während ihres Hofgangs zu unterlassen. Daraufhin sollte sie in einem schmalen Nebenhof ihre Runden drehen, den sie so beschreibt: „Elf Schritte breit, doppelt so lang, an drei Seiten sechs Meter hohe Betonmauern, die vierte Seite Gitter, der Boden vollständig aus Beton.“ Darauf wolle sie sich nicht einlassen, schrieb die Gefangene noch im September. „Ich bin nicht der dressierte Hund.“ Für ein gegen ihre Mandantin verhängtes „generelles Schweigegebot“ gebe es keinerlei gesetzliche Grundlage, schrieb Rechtsanwältin Seifert in einem Aufhebungsantrag im Dezember.

Keine Telefonate mit der Mutter, kein Extrabesuch

Anträge Hogefelds, sie nach Frankfurt-Preungesheim zurückzuverlegen, wo sie unmittelbar nach ihrer Verhaftung inhaftiert war, wurden bisher ebenso abgelehnt wie die Bitte um ein wöchentliches Telefonat mit ihrer Mutter oder um eine Sondervisite des Bruders anläßlich ihres Geburtstages. Besuche finden zweimal im Monat eine Stunde lang mit Trennscheibe statt; Verwandtenbesuche ohne Trennscheibe aber unter Überwachung durch zwei Beamte.

Den Brief eines Bekannten hielten die Behörden einen Monat lang an. Schließlich wurde er mit der Begründung, er enthalte „langatmige, abstrakt-theoretische Ausführungen ... auf 17 Schreibmaschinenseiten“, an den Absender zurückgeschickt. Fotokopien darf Birgit Hogefeld generell nicht empfangen, ebensowenig einzelne Zeitungsartikel oder Einzelausgaben von Zeitungen und Zeitschriften, die sie nicht abonniert hat. Beim BGH sah man bisher keinen Anlaß, die zur Hoch-Zeit der RAF in den siebziger Jahren entwickelten isolierenden Haftbedingungen im Fall Hogefeld zu überprüfen. Die Tatsache, daß sie zu jener RAF-Generation gehört, die 1992 den Verzicht auf tödliche Anschläge gegen Repräsentanten aus Politik und Wirtschaft erklärte, spielte keine Rolle.

Hogefeld habe neun Jahre im Untergrund gelebt, beherrsche also „konspiratives Verhalten aus dem Effeff“, hieß es in Karlsruhe. Der Wunsch der Behörden, „keine unkontrollierten Kontakte nach innen oder außen“ zuzulassen, habe bei der Unterbringung Vorrang. Keine der daraus resultierenden Maßnahmen könne als „Schikane“ abgetan werden, jede habe einen „sachlichen Grund“.

Offenbar befürchtete Karlsruhe, daß sich für Birgit Hogefeld über Kontakte mit anderen U- Häftlingen indirekt auch Informationskanäle nach draußen öffnen könnten. Deshalb heißt es in dem Beschluß vom 21.12.: „Die Erlaubnis der Teilnahme an dem gemeinsamen Hofgang erfolgt unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß die Kontakte zu anderen Untersuchungsgefangenen nicht zu einer verdeckten Nachrichtenübermittlung mißbraucht werden dürfen. Andernfalls würde die Genehmigung sofort widerrufen.

Karl-Heinz Dellwo, seit 1975 und derzeit unter vergleichsweise moderaten Bedingungen in der JVA Celle in Haft, fühlte sich angesichts der Haftumstände Birgit Hogefelds an alte Zeiten erinnert. Was dort ablaufe, sagte Dellwo kurz vor der vorweihnachtlichen Entscheidung, führe „direkt zurück in die Steinzeit“.