Alles Dementis

■ Das MDR-Magazin "Brisant" will nicht "Explosiv" sein

Vorsicht geboten ist dann, wenn sich der Mitteldeutsche Rundfunk öffentlich relativiert. Stets der Fall ist dies bei der Vorstellung von sächsischen Produkten für das Erste der ARD. Die schwächliche Comedy „Heinz bleibt Heinz“ etwa brachte der CDU-dominierte Schwarzsender als speziellen „Ost- Humor“ unters vereinte Volk. Pure Diskriminierung.

Heftig dämpfte Fernsehdirektor Henning Röhl neulich auch die Erwartungen in Sachen „Die Trotzkis“. Sie seien keine Antwort auf den „Motzki“ von NDR und WDR. Das sind die dumpfen Kalauer wirklich nicht.

Eine wahre Dementi-Orgie begleitet auch „Brisant“, das neue halbstündige Boulevard-Magazin des MDR. Es soll ab 3. Januar im Ersten die Quoten zu einer Sendezeit heben, in der die ARD sonst durchhängt. Um 17.10 Uhr, zwischen dem Nachmittag, der jetzt wie der Vorabend geglättet wird, und der nachfolgenden Werbeblockumrahmung der Familienserien. Die beginnt sich neuerdings von den Attacken der Kommerziellen zu erholen.

„Brisant“, in Dresden produziert, wurde zunächst mißverständlich als „Sex & Crime“ angekündigt. Deshalb bekennt MDR- Chefredakteur Wolfgang Kenntemich (früher bei Bild) vorsichtshalber: „Wir versauen keine Kinder und Omas.“ Themen von „Brisant“ sollen laut Kenntemich Showbiz, Film, Theater, Unglücke und Verbrechen sowie allerlei Klatsch und Tratsch sein. Aber: „Immer über der Gürtellinie“. Auch „Brisant“-Leiter Jörg Howe (Ex-Sat.1) betont die Seriosität: Boulevard-Touch liefern sollten weder das Sexualleben siamesischer Zwillinge noch anonyme Samenspender hinter Milchglas.

Dem schließen sich die Moderatoren Anja Wolf und Andreas Spellig an. Die frühere N-tv-Nachrichtensprecherin Wolf legt Wert darauf, daß die Sendung „unterhaltend, nicht zotig“ sein werde. Kollege Spellig, MDR-Sportmoderator und einst bei RTL, verspricht ebenfalls verantwortungsvolle Unterhaltung, die sich „ohne Scheuklappen“ von Privat-Produkten wie „Schreinemakers“ absetzen werde.

Keine Berührungsängste hat „Brisant“ an anderen Punkten: So hätten die Dresdner beim Thema Lebensberatung gern mit der Zeitschrift Brigitte zusammengearbeitet, „Trendtips“ wollte man sich beim Magazin Max besorgen. Und Werbeagenturen sollten ebenso zeitgeistig wie schleichwerbend die Studio-Deko „themenbezogen“ als „Kunstwerk“ gestalten. Doch diese Art der Kommerziellen Koordinierung (KoKo) wird es – so die MDR-Pressestelle gestern – nun doch nur sehr eingeschränkt geben. Im Tieferhängen bleibt der MDR ungeschlagen. Philip Kahle