Nachschlag

■ „Bei mir bist du schön“ – Gastspiel im magazin-Theater

Nachdem das Jazz-Trio mit einem feinen Bossa Nova auf den Abend neugierig gemacht hat, ist der Beginn des Dramoletts ein Finale: Eine Sängerin trägt als Zugabe „What is this thing called love“ von Cole Porter vor. Dann kann sie es nicht abwarten und hetzt nach der Show mit den Blumen ihrer Bewunderer in ihre Wohnung, weil sie sich auf ihren Geliebten Emile freut. Aber der treibt sich wieder mal herum. Sie scheint nur kurz besorgt, ist noch ganz heißgelaufen von dem Auftritt, legt eine Bigband- Nummer auf, die Swing-Version des jiddischen „Bei mir biste scheen“. Ausgelassen tanzt sie sich singend in andere Klamotten, stellt die Blumen in die Vase und wartet doch nur auf Emile. Die lockeren Gesten, mit der sie im Kühlschrank nachschaut, ob sich dort etwas Interessantes finden ließe, der eifrige Drang, mit dem sie den Boden schrubbt, das Timbre ihres Gesangs, all dies verrät, daß ihre Gedanken um Emile kreisen, Emile, dem sie verfallen ist und der sie belügt. Der Blumenstrauß bleibt in Cellophan verpackt – und ihre Erwartungen an das erträumte Leben unerfüllt.

Dann, als sie schon zigmal „Wo warst du, Emile?“ geprobt hat, erscheint er schließlich. Sie braucht lange, bis sie erkennt, daß sie ihre Nöte genausogut einer Wand anvertrauen könnte. Statt dessen stopfen sich die beiden wie Süchtige mit Joghurt-Fruchtzwergen voll. Zum Glück vergißt sie dabei das Singen nicht, was auch schade wäre: Zwischen den Trümmerhalden der um Liebe ringenden Monologe bringen Alina Lieske und das Georgio Corbu Trio schöne Balladen und Jazzstandards von „Night and Day“ über „Lover Man“ bis hin zu „Masquerade“. Zwar haucht sie nicht samtig und zeitgemäß wie Sade, aber auch Alina Lieskes Mezzosopran trägt die Melodien bis in die hinterste Reihe. Die Musik ist die Hauptsache bei „Bei mir bist du schön“. Sacht hebt die Kapelle die unglückliche Sängerin mit einschmeichelnden Rhythmen für Augenblicke aus ihrer Misere. Der Kontrabaß Earl Bostics gibt mit Michael Griftons Schlagzeug den Songs einen leisen, gefühlvollen Drive. Giorgio Corbus läßt perlende Soli auf der edlen alten Jazzgitarre wie einen Schuß feinen Brandys in die Melodien einfließen.

Andreas Plücken, der den Schweiger Emile spielt und Regie führte, hat beim großen Blick für effektvolle Details allerdings einige Leerlaufmomente übersehen, die für etwas mehr Musik und ein wenig mehr Humor kürzbar wären. Seichter würde der Abend nach „Der schöne Gleichgültige“ von Jean Cocteau dadurch nicht, denn erzählt wird ohnehin eher eine Feierabendstory als eine der für Cocteau typischen Tiefgang-Geschichten um Moral und Kunst. Fernando Offermann

Noch bis 9. Januar, 20.30 Uhr (Silvester: 17.30 Uhr), im magazin- Theater, Ku'damm 208, Charlottenburg.