Eine Art Bill Clinton aus Osnabrück

Der CDU-Spitzenkandidat Christian Wulff, Herausforderer von Gerhard Schröder bei den Niedersachsenwahlen im März, quält sich vor allem mit der eigenen Partei  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Wenn er denn unsicher war, so ließ es sich der junge CDU-Spitzenkandidat nicht anmerken. Die Worte mit der rechten Hand unterstreichend deklinierte der blonde 34jährige ruhig die Mechanismen der CDU-Kandidatenaufstellung durch: Daß der Andrang auf die vorderen Plätze der Landesliste größer gewesen sei als sonst. Daß sich selbst Ex-Landesminister mit hinteren Listenplätzen hätten begnügen müssen. Daß Frauen schon auf den Listen der CDU-Bezirke weiter vorn placiert werden müßten. „Ich bin enttaüscht, daß mein Engagement für die Frauen nicht ausgereicht hat“, gab Christian Wulff dann ohne Umschweife sein Versagen bei der endgültigen Placierung der Kandidatinnen durch den Landesvorstand zu.

„Rhethorikkurse habe ich nie gemacht“, sagte der ehemalige Landesvorsitzende der Jungen Union später und versichert, daß er sich in dem knappen Jahr, das er nun schon als CDU-Spitzenkandidat durch Niedersachsen ziehe, „überhaupt nicht“ verändert habe. Doch zumindest im Umgang mit Journalisten hat er inzwischen alle anfänglichen Unsicherheiten abgelegt. Christian Wulff reklamiert für sich die Rolle des jugendlichen Hoffnungsträgers.

Selbstbewußtsein und ein dickes Fell braucht er aber auch in diesen für ihn nicht einfachen Wochen im Dezember: Miserable Umfrageergebnisse, Krach mit dem Vorsitzenden der CDU- Landtagsfraktion, kein einziger zugkräftiger Name im Schattenkabinett und dann auch noch der Streit mit der Frauen-Union, wo doch für Christian Wulff „die CDU die Partei der Frauen werden und bleiben soll“. Ganze acht Frauen finden sich zur Zeit unter den 67 CDU-Landtagsabgeordneten. Wulff hatte stets versichert, daß auf den sicheren ersten 30 Plätzen der von ihm angeführten Landesliste mindestens zehn Frauen placiert würden. Als es am Ende nur sieben wurden, schrieb die Vorsitzende der Frauen-Union einen verbitterten Brief. Ihre Stellvertreterin zog prompt ihre Landtagskandidatur zurück und trat aus der CDU aus.

„Aufbruch und Erneuerung – Christian Wulff!“ – so hat die CDU ihren Spitzenkandidaten für die Niedersachsenwahl im März bisher auf Plakaten bekanntgemacht. Der Kandidat gibt sich gleichermaßen adrett und dynamisch. Erneuern wollte Wulff vor allem die CDU selbst. Er propagierte eine „Partei- und Parlamentsreform“, verschrieb sich der Frauen- und Nachwuchsförderung, der Öffnung der Partei für Nichtmitglieder und Seiteneinsteiger und wollte auch, daß nach Ablauf der Wahlperiode jeweils ein Drittel der Abgeordneten aus den Parlamenten herausrotieren. Am Ende wurde nur ein einziger Seiteneinsteiger, ein Kirchenmann, auf der CDU-Landesliste abgesichert.

Auf die Verbitterung der CDU- Frauen, die sich aus enttäuschter Hoffnung erklärt, reagierte der 34jährige zu guter Letzt autoritär, wie ein Altgedienter. Wulff habe sie deutlich aufgefordert, sich ruhiger zur verhalten, gab Irmgard Vogelsang, die Vorsitzende der niedersächsischen Frauen-Union nach einem Krisengespräch mit dem Spitzenkandidaten zu Protokoll. Schneidige rechtspopulistische Parolen, mit denen etwa Wolfgang Schäuble auch das niedersächsische CDU-Parteivolk immer wieder zu begeistern weiß, sind bisher nicht die Sache von Wulff. Wenn er in neoliberaler Manier ein „investitionsfreundlicheres Klima“ einfordert, „Lohnnebenkosten senken“ und den „staatlichen Ausgabenüberhang abbauen“ will, betont er stets, daß dies keineswegs „zu Einbußen bei den Umweltstandards“ führen dürfe. Wulff propagiert die „ökologische und soziale Marktwirtschaft“, setzt ähnlich wie so mancher SPD-Politiker auf „das wachsende Marktpotential für Umweltschutzgüter“.

Die Rolle des echten CDU-Erneuerers will oder kann der junge Spitzenkandidat dennoch nicht übernehmen. In der Vergangenheit hatte er zwar die Heitmann- Kritiker in seiner Partei in Schutz genommen, selbst aber Kohls Bundespräsidenten-Kandidaten mitgetragen. Im Mittelpunkt seines Wahlkampfes schließlich steht „die unkontrolliert ansteigende Kriminalität“. Wulffs Slogan „ehrlich, mutig, klar“ verspricht mehr Profil, als der junge Kandidat bereit ist, zu zeigen.

In allen Umfragen liegt die niedersächsische CDU derzeit weit unter der 40-Prozent-Marke. Er wolle im Wahlkampf noch fünf bis sechs Prozentpunkte zu den derzeit knapp 37 Prozent dazugewinnen, beschrieb Christian Wulff jüngst selbst sein Wahlziel. Dann hätte der Kandidat jene 42 Prozent wieder erreicht, mit denen die CDU vor vier Jahren die Regierungsmehrheit in Niedersachsen verloren hatte. Zum „Bill Clinton aus Osnabrück“ ließ sich Wulff noch hochloben, als er vor einem Jahr überraschend zum Spitzenkandidaten gekürt wurde.

Jetzt steht bei den Niedersachsenwahlen am 13. März weniger die politische Zukunft des Ministerpräsidenten Schröder als vielmehr die kurze Karriere seines jungen Gegenkandidaten auf dem Spiel. Der Vorsitzende der niedersächsischen CDU-Landtagsfraktion Jürgen Gansäuer erklärte vor einiger Zeit implizit den ganzen Wahlgang schon vorab für verloren. Gansäuer kündigte an, daß er bei einer Wahlniederlage der CDU keineswegs freiwillig den Posten des Oppositionsführers im Landtag zugunsten von Wulff räumen, sondern in einer Kampfabstimmung gegen ihn antreten werde. Der dermaßen demontierte Spitzenkandidat konnte den Fraktionsvorsitzenden nicht zur Rücknahme dieser Ankündigung bewegen. Beide Kontrahenten einigten sich lediglich darauf, bis zum Wahltag über das Thema Fraktionsvorsitz zu schweigen. Wulff selbst weiß wohl, daß er im „Kampf gegen den Bundestrend“ auch versagen kann: „Mir ist es wichtig, die CDU zu verändern, wenn ich damit scheitere, so war es den Versuch wert.“