Nach den „Knochen“ das „Rost“-Geld?

■ In Prenzlauer Berg kann nicht mehr mit Ersatzwährung bezahlt werden / Künstler wollen in einer neuen Aktion Münzen prägen / Das Horten von Geld soll verhindert werden

Die Handvoll Künstler in der Galerie O-zwei in der Oderberger Straße war erleichtert, als am Dienstag abend 20 Uhr Kneipiers die letzten Knochen-Scheine ablieferten. In den vergangenen acht Wochen hatten 54 Graphiker, Maler und Dichter in Prenzlauer Berg für einen Gegenwert von 100.000 Mark Knochen-Scheine auf den Markt geworfen. Vier Künstler hatten die Galerie in eine Bank umfunktioniert. Woche für Woche hatten sie die Scheine an Interessierte verkauft und von Geschäftsleuten die zurückgebrachten Knochen wieder gegen D-Mark gewechselt.

Doch die wieder in Umlauf gebrachten Scheine mit Marken zu kleben und zu stempeln sei eine „Schwachsinns-Idee“ gewesen, meinte Spontan-Bankier Nils Chupka an diesem Abend zur taz. Die damit verbundene Arbeit habe in keinem Verhältnis gestanden, hat der 30jährige feststellen müssen, der selbst einen „Doppel- X“-Knochen entworfen hatte. Jede Woche verlor ein 20-Knochen-Schein eine Mark an Gegenwert, wenn er nicht zur Bank zurückgebracht wurde. Mit diesen Anti-Zinsen sollte verhindert werden, daß die Prenzlberger die monetaristischen Kunstobjekte zu Hause horten und dadurch dem von der Landeszentralbank unabhängigen Geldmarkt entziehen.

Doch dieses Ziel ist weit verfehlt worden. Von den 5.000 Scheinen zu jeweils 20 Knochen sind nur 1.000 Scheine wieder in der Galerie-Bank angekommen. Das Geldhorten sei bei dieser bis weit über die Bundesrepublik hinaus beachteten Aktion ein „ästhetisches Problem“ gewesen, weiß G.P. Adam. Das Geld mit seiner Vielzahl von Motiven habe „einfach nicht stark genug gestunken“. Von dem 30jährigen Künstler stammt die „Clara Ernst heißt Schwejk“-Note. Einzelne Noten wie etwa der „Schmetterling“ von Dirk Lebahn seien auf dem Schwarzmarkt zu 80 bis 120 Mark gehandelt worden. Wer den transparenten Schein in der Mitte faltet, entdeckt im Gegenlicht eine dreiköpfige Gruppe bei erotischen Spielen.

Die Künstler hatten in Prenzlberg etliche Geschäfte für die Knochen-Kunstaktion gewinnen können. Doch vor allem in Kneipen sei mit den handsignierten Schwarzweiß- und Farbkopien bezahlt worden, berichtete „Doppel- X“-Chupka. Für 60.000 Mark seien Noten veräußert, für 25.000 Mark an die Knochenbank zurückgegeben worden. Zu dem Gewinn von 35.000 Mark werden sich am 29. Januar weitere Mark-Stücke und -Scheine gesellen – dann werden die restlichen Knochen sowie die für Geschäfte angefertigten Musterbücher, die alle 54 Noten enthalten, versteigert. Die Gesamteinnahmen sollen bislang unter den 54 Künstlern, zu denen auch Klaus Staeck und A.R. Penck zählen, zu gleichen Teilen aufgeteilt werden. Doch weil für den einzelnen kaum etwas übrigbleiben wird, denken Chupka und Adam darüber nach, das Geld zu spenden, „wenn sich alle Künstler einverstanden erklären“.

Die Knochen-Aktion ist nach acht Wochen nun vorbei. Doch der 38jährige Prenzlberg-Dichter Bert Papenfuß – von ihm stammt der „Not-“Knochen – denkt bereits über eine neue Aktion nach. Mit einer Prägemaschine könnte gemeinsam mit einer interessierten Gruppe aus der Schweiz ein neuer länderübergreifender Versuch mit Münzen gestartet werden. Bei der Ummünz-Aktion „würde ich fast alles anders machen“, kündigte Papenfuß gegenüber der taz an. Zum einen müßte das Horten wirksam verhindert, zum anderen auf Grund der damit verbundenen immensen Arbeit auf Markenkleben und Stempeln verzichtet werden. Für die Post-Knochen-Währung war in der Galerie bereits ein neuer Name im Gespräch: „Rost“-Geld.

Ansonsten war der Schriftsteller aber zufrieden. Probleme wie Fälschungen gab es nicht, nur ein Musterbuch sei abhanden gekommen. Und in etlichen Begleit-Veranstaltungen hätte das scheinbar unverrückbare Verhältnis zur Staatsknete in Frage gestellt werden können. Dirk Wildt