Alpengrüne auf Nationalkurs

■ Österreichs grüner Europasprecher Voggenhuber hält nichts von der Union

„Es geht darum, der politischen Rechten die Themen streitig zu machen.“ Johannes Voggenhuber, Europasprecher der österreichischen Grünen, will die Europa- Skepsis – das tumbe Leitmotiv der Populisten von Haider bis Stoiber – zur linken Tugend machen. Diverse Bundeskongresse und manch fauler taktischer Kompromiß zwischen dem prominenten Voggenhuber und Bundessprecher Peter Pilz haben die Haltung der Öko-Partei bislang zementiert: Österreichs Grün-Alternative, immerhin mit zehn Abgeordneten im Nationalrat vertreten, lehnen den angestrebten Beitritt zur Europäischen Union (EU) ab.

Der brüchige Kompromiß droht nun – an der Schwelle zum Jahr 1994, in dem die Entscheidung über den EU-Beitritt fallen wird – allerdings zu kippen. Nicht nur, daß immer mehr prominente Grün-Parlamentarier gegen das apodiktische „Nein“ ihres Bereichssprechers rebellieren: Jüngste Erhebungen der Demoskopen brachten zutage, daß auch ein Großteil des grünen Wählerreservoirs aus der strikten Parteilinie ausschert. Gut 51 Prozent der Österreicher gaben an, daß sie der Anti-EU-Kurs der Grün-Alternativen von einer Stimmabgabe für diese abhält. Den 43jährigen Anti- EU-Kämpfer Voggenhuber ficht das freilich nicht an: „Wenn zwei Drittel unsere Haltung teilen, haben wir schon einiges erreicht. Wir müssen nun eben unsere Glaubwürdigkeit in dieser Frage noch erhöhen.“

Voggenhuber ist ein Grüner der ersten Stunde. Bereits 1982, als der alpenländische Ableger der Öko- Bewegung noch schwer zerstritten von Niederlage zu Niederlage torkelte und an einen Einzug in den Nationalrat nicht zu denken war, führte der unkonventionelle Bürgerrechtler seine Salzburger „Bürgerliste zu einem damals sensationellen Wahlerfolg. Seine Liste schaffte nicht nur den Einzug in das Stadtparlament: Voggenhuber bekleidete danach als erster österreichischer Grüner einen halbwegs relevanten Regierungsposten; er zog als Planungsstadtrat ins Schloß Mirabell der Mozartstadt.

Mit den Jahren kletterte Voggenhuber höher und höher in der formellen und informellen grünen Hierarchie: Nationalratsabgeordneter, Bundessprecher und Fraktionsvorsitzender – kaum ein bedeutender Parteiposten, den Voggenhuber nicht schon bekleidet hat. Dabei wurde aus dem Bürgerlichen, der lange von dem aus abgesprungenen Sozialisten und alten K-Grupplern erwachsenen grünen Parteikadern scheel betrachtet worden war, ein verläßlicher Bündnispartner des linken (oft als fundamentalistisch gescholtenen) Parteiflügels. Zum grünen Oberrealo Peter Pilz, unterdessen Quasi-Parteichef geworden, pflegt Voggenhuber denn auch ein Verhältnis intimer Feindschaft.

Der Kuhhandel, den Voggenhuber und Pilz 1992 in Sachen EU- Haltung aushandelten, sah so aus: Voggenhuber versprach, die Wahl von Pilz zum Parteisprecher nicht zu torpedieren, dafür gelobte dieser Treue zum Anti-Euro-Kurs Voggenhubers, der – gerade als Fraktionschef gestürzt – gleichzeitig Europasprecher der Partei wurde. Nach Pilz und der neuen Fraktionschefin Madelaine Petrovic (die die Grünen als Spitzenkandidatin in den Wahlkampf 1994 führen wird) steht der streitbar gebliebene Johannes Voggenhuber in der Popularitätshierarchie der Grünen noch immer an dritter Stelle.

Seit die Demoskopen den Grünen jedoch zu einem Kurswechsel in Sachen Europa raten, gerät Voggenhuber wieder unter Druck. Dazu tragen auch die bisherigen Ergebnisse der Beitrittsverhandlungen zwischen EU und Österreich bei: Neben dem oftmals beklagten „Demokratiedefizit“ des Brüsseler Molochs hatten die Grünen immer wieder die niedrigen Umweltschutz-Standards der bisherigen Zwölfergemeinschaft gegen „Europa“ ins Feld geführt. Dann, kurz vor Weihnachten, gelang den Wiener Unterhändlern ein sensationeller Erfolg. Für vier Jahre darf Österreich seine höheren Standards beibehalten, dann wird neu verhandelt. Wobei die EU-Kommission schon jetzt die Möglichkeit einer Nivellierung auf höherem Level in Aussicht stellt – womöglich sogar dem österreichischen. Robert Misik, Wien