■ Das Portrait
: Silvester

Von Papst Silvester I. weiß man so gut wie nichts. Seine Popularität ist trotzdem enorm: Als Patron des Jahresendes steht sein Name für überschäumende Feiern, Knallerei und gute Vorsätze. Zu diesem Image ist Silvester jedoch gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Zumal die Christen, als er am 31. Dezember 335 starb, noch den 6. Januar statt des 1. als Jahresbeginn feierten. Vor seinem Tod war Silvester 22 Jahre lang Bischof von Rom gewesen. Das wichtigste Ereignis seines Pontifikats, das Konzil von Nicäa, hat er nicht besucht, seine Beschlüsse aber anerkannt. Das ist schon fast alles, was an gesicherter Information vorliegt.

Dennoch spielte das Leben Silvesters eine zentrale Rolle in der Geschichte der Kirche. Seine vita, die schon bald nach seinem Tod in der Silversterlegende verklärt wurde, bot einem frommen Fälscher die Grundlage für die sogenannte „Konstantinische Schenkung“. Nach der Legende nämlich hat Silvester den römischen Kaiser Konstantin durch die Taufe vom Aussatz geheilt, nachdem dieser auf himmlischen Fingerzeig hin die alternative Therapie, ein Bad in frischem Knabenblut, verworfen hatte.

Die Heilung Konstantins durch Silvester symbolisiert nicht nur den Triumph des Christen- über das Heidentum. Sie beendete die Christenverfolgungen und führte dazu, daß Konstantin den Papst in eine kaisergleiche Stellung erhob und ihm Italien zur Herrschaft überließ. So behauptete es zumindest die im 8. Jahrhundert plötzlich auftauchende Schenkungsurkunde. Derart ausgestattet, wurde das Leben Silvesters vor allem bedeutungsvoll, als die Päpste die Unterordnung des Patriarchen von Byzanz unter Rom forderten und mit der von Konstantin übertragenen Würde rechtfertigten. Gegenüber den weltlichen Herrschern wie dem deutschen Kaiser fühlten sich die Päpste nun gleichrangig. Die vermeintliche Schenkung an Silvester wurde zwar schon bald als Fälschung verworfen, von der Kirche jedoch immer wieder hervorgeholt. Erst die Humanisten des 15./16. Jahrhunderts bewiesen endgültig den Tatbestand der Fälschung. Doch der Klerus beharrte bis in das 19. Jahrhundert darauf, daß die Wundertaufe Silvesters und die Schenkung Konstantins tatsächlich stattgefunden hätten. Ulrich Hinz