Sanssouci
: Nachschlag

■ "Märchen aus 1001 Nacht" im Haus der Kulturen der Welt

Daß Märchen nicht nur für Kinder erzählt werden, sondern auch Erwachsene ihnen stunden- und sogar nächtelang andächtig lauschen, davon handelt schon die Rahmengeschichte aus „1001 Nacht“. Sie berichtet von einem Sultan, der die unfreundliche Angewohnheit hatte, seine nächtlichen Gespielinnen am nächsten Morgen hinrichten zu lassen. Um dem sicheren Tod zu entgehen, versprach Scheherazade dem Sultan statt des Liebesspiels ein Märchen. Sie machte das so geschickt und spannend, daß er nicht genug kriegen konnte und sie 1000 und eine Nacht lang immer wieder Aladdin erscheint der Geist der

Wunderlampe. Abb.: taz-Archiv

kommen mußte. Nicht an Kinder, sondern an einen stattlichen Sultan war dieser orientalische Märchenzyklus also adressiert. Dennoch staunte der Märchenerzähler Saddek Kebir nicht wenig, als im rappelvollen Konferenzraum im Haus der Kulturen der Welt am Sonntag fast mehr Erwachsene als Kinder herumsaßen. Offensichtlich hatten die Eltern nicht die Gunst der Märchenstunde genutzt, um ungestört durch die „Gärten des Islam“ zu promenieren, die ein Stockwerk höher gezeigt werden.

Kachelofenstimmung wie in Großmutters Stube kam in dem halbverdunkelten Raum auf, als die Kleinen es sich auf den orientalischen Teppichen und den roten Sitzkissen bequem machten. Genüßlich lümmelten sie dem Erzähler im blauen Orientalen-Gewand zu Füßen und horchten gespannt, wie er die Geschichte von Ali Baba und den 40 Räubern aus 1001 Nacht erzählte. Wer glaubte, ihm sei die Geschichte von Ali Baba, dem armen Holzfäller, längst bekannt, der hatte sich getäuscht. Denn wie Saddek Kebir schon vorausschickte, ist die Version, die die Eltern hier in Europa ihren Kindern tradieren, arg zensiert. In ihrer eigentlichen Fassung geht es nicht allzu fein zu. So rufen die 40 Räuber dem Felsen nicht nur ein einfaches „Sesam öffne dich“ zu. Nein, sie lassen auch noch die Hosen runter und trompeten einen kräftigen Pups heraus – erst dann geht die schwere Felsentür auf und gibt den Weg frei zu den Goldsäckchen, die dort versteckt sind. Auch von den leuchtenden Hintern der orientalischen Banditen, an denen sie einander bei nächtlicher Tat erkennen, wußten wir noch nichts. Aber wenn Saddek Kebir es erzählt, dann muß es wohl so gewesen sein. Andrea Kern

Saddek Kebir erzählt weiter am 15.1., 22.1. und 29.1., 15 Uhr, im Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, Tiergarten.