Mädels, Gäule etc.
: Ritt in höhere Schichten

■ Die neuesten Erkenntnisse: Warum Mädchen Pferde lieben

Alle kleineren Kinder durchleben irgendwann eine Phase heftigster, gerne auch militanter Tierliebe. Das eigentlich verhaßte Schnitzel wird nun bitterlich beweint, hinkende und schielende Exemplare aller Tiergattungen werden ins Haus geschleppt und dort liebevoll zu Tode gepflegt, und das weihnachtliche Schicksal von Hasen, Karpfen und Gänsen hat nicht selten einen traumatischen Vertrauensverlust in die Erziehungsberechtigten zur Folge. Spätestens mit Einsetzen der Pubertät differenzieren sich allerdings die Vorlieben für bestimmte Tierarten geschlechterspezifisch aus. Jungs sammeln jetzt – einigermaßen emotionslos gegenüber der Kreatur an sich – vorwiegend Material für komplizierte Testreihen oder widmen sich dessen Dressur. Mädchen dagegen beginnen unerklärlicherweise, Pferde zu lieben. Zahllose Untersuchungen versuchten, dieses Phänomen zu deuten. Eine neuerliche Anstrengung unternahmen nun Dr. H. Adolph und Prof. Dr. H.A. Euler von der Gesamthochschule Kassel. In deren Zeitschrift „Prisma“, Nr. 47, wird die Arbeit auf gerade mal zwei Seiten von Jochen Wegner kongenial zusammengefaßt. Wir dokumentieren in Auszügen. bh

„Im Laufe der Pubertät lösen sich die Mädchen vom Vater [...], sie suchen nun Abenteuer, Abwechslung und Spannung, haben aber eher Hemmungen, allein und somit unbeschützt auf Streifzug zu gehen. Die in dieser Lebensphase zunehmend nun in Frage kommende Bindung zum anderen Geschlecht bietet in der Pubertät jedoch Anlaß zu Verdruß. [...] ,Das Mädchen will einen Jungen, der Junge will Sex‘, brachte ein amerikanischer Psychologe das Problem auf den Punkt. In diesem Zustand der Bindungslosigkeit kann das Pferd dem Mädchen einiges bieten. Es ist in der Lage, so Adolph, die klaffende Beziehungslücke zu schließen. Ein Pferd ist ein verläßlicher Partner, es ist stark, aber nicht gewalttätig, es stellt keine sexuellen Ansprüche. [...] Mit seinem kaum ergründbaren, verschlossenen Wesen [...] erlaubt das Pferd zudem die Projektion beliebiger emotionaler Vorgänge. Das Pferd ist warm, weich, mit seidigem Fell und schönem Haar, und es riecht gut. Es lädt somit zur Nähe, zum Hautkontakt und zum Liebkosen ein. [...] Zudem verleiht das Reiten einen besseren gesellschaftlichen Status: ,Das Mädchen reitet in die höheren Schichten.‘ [...]

Grundsätzlich beurteilen Mädchen und Frauen ihr Lieblingspferd besser als alle anderen Pferde, vor allem in Aussehen und Verhalten. 62 Prozent aller Befragten glauben, daß ihr Pferd sie liebt, 24 waren sich unschlüssig. [...] Auch einen Tausch gegen ein vermeintlich ,besseres‘ Pferd lehnen 70 Prozent der Besitzerinnen kategorisch ab. Besonders deutlich wird seine Rolle durch die Einordnung in die Hierarchie der Bezugspersonen: Das Pferd rangiert hier mit etwa 70 Prozent gleich nach der Mutter (79 Prozent) – der Vater schneidet mit knapp 67 Prozent schlechter ab als der Vierbeiner.“