■ Anmerkungen zu einer völlig überflüssigen Debatte
: Fanfaren eines Freiheitskampfes

Demokratie stinkt und ist eine extrem ungesunde Angelegenheit. Demokratie beißt in den Augen, ätzt in den Lungen und ist unser Totengräber Nummer eins. Wenn jemals das deutsche Herz so richtig für demokratische Freiheit pocht, dann, um eines zu retten: das uneingeschränkte Bürgerrecht auf Qualm und Selbstverstümmelung – sei es per Auto oder Nikotin. Auch jetzt grummeln die Fanfaren des heraufziehenden Freiheitskampfes wieder, die Boulevardzeitungen hissen die dicken roten Lettern zur Revolution: Die Schlacht gegen Tempo 100 auf deutschen Autobahnen ist erfolgreich geschlagen. Die zweite Bataille gegen den menschlichen Verstand wird man auch gewinnen. Wär doch gelacht, wenn durchkommt, was eine überparteiliche Gesetzesinitiative jetzt verordnen will: Nichtraucherschutz zumindest dort, wo individuelle Sucht als kollektive Seuche grassiert: in öffentlichen Gebäuden, Kneipen und an Arbeitsstätten.

Anthropologen, Verhaltensforscher oder Lebewesen außerirdischer Gestirne mögen sich irgendwann den Kopf darüber zerbrechen, was den Menschen des 20. Jahrhunderts sich täglich ruinieren ließ. Politologen und Sozialwissenschaftler mögen darüber sinnieren, welch demagogischer Scharlatan einer aufgeklärten Gesellschaft weismachen konnte, demokratische Freiheit beinhalte das selbstverständliche Recht, nicht nur sich selbst, sondern auch andere zum Krüppel zu fahren oder zu qualmen. Kabarettisten des nächsten Jahrtausends mögen zum besten geben, welche ernstgemeinten Kalauer die angesehensten Leute anno 1994 auskramten, um ein öffentliches Rauchverbot doch noch zu verhindern: drohendes Kneipensterben! Künftige Betriebswirtschaftler mögen die Nase rümpfen über das einstige Neandertal sozialer Gerechtigkeit, in der Kranke nicht mehr ihre Rezeptgebühren zahlen konnten und Alte nicht ihre dritten Zähne, in der aber die gesamte Gesellschaft klaglos dafür rappte, daß ein Teil dem anderen Lungenkrebs und Asthma an den Leib paffte.

All das mögen künftige Generationen tun, im nächsten Jahrtausend vielleicht. Im Jahr 1994 bitte aber nur das eine: Keine einzige Diskussion mehr, keine Debatte über Gründe und Abgründe menschlicher Sucht, keine medizinischen Statistiken, keine absurden Vorschläge und keine sinnlosen Überzeugungsversuche. Im Jahr 1994 bitte nur noch: Handeln. Ruckzuck. Dann wird das Rauchverbot an öffentlichen Orten in zwei Jahren so selbstverständlich sein wie die rote Ampel an der Straßenkreuzung und die veterinärmedizinische Überprüfung von Schweinefleisch. Einfach weil es kein vernünftiges Argument dagegen gibt. Vera Gaserow