Das multipicturefaxophone Medienmirakel

■ „Schloss mit Hochschule“ - eine interaktive Ausstellung mit lauter Wunderdingen in der Städtischen Galerie

Herrjegerl, was tat man unserer Städtischen Galerie! Verflixt und zugeklebt ist sie mit seltsamen Bildern, vollgemüllt ist sie mit Kabeln, Projektoren, Videobeamern, bunten Glaskügelchen, Bildtelefonen, piepsenden Faxgeräten, seltsamen Bildern, abermals Kabeln, mit Geflacker und Gequake, mit Geheimnisträgern, die unverständliche Sachen von hie nach da schleppen, und im Eingangsraum krabbelt ein dummer Roboter herum, umgetrieben von sieben Scheibenwischermotoren, und trotzdem möchte man gar nicht mehr nach Hause gehen: Auch das ist eine Kunst!

Kein Mensch weiß, was sich hier in den nächsten vier Wochen alles zutragen wird; das ist eben die Art, wie Arleen Schloss arbeitet. Erst richtet sie ein Gewusel an, und dann wird man sehen. Die Kunst, die sie zuhause in ihrem New Yorker Atelier betreibt, besteht vor allem darin, daß immer Dutzende von Leuten da sind. Hier und jetzt arbeitet die Medienartistin gerade mit Studenten und Studentinnen der hiesigen Hochschule für Künste zusammen, aber letzten Endes mit der ganzen Welt, sofern sie guten Willens ist und sich via Fax, Telefon oder sonstwie beteiligen mag.

Wenn am Montag eröffnet wird, steht in den Räumen am Buntentorsteinweg zunächst nichts als eine gewaltige Übermacht an Möglichkeiten parat, und die Stadt und der Erdkreis müssen zusehen, wie sie damit fertig werden. Die Telekom zum Beispiel hat nicht nur vier Faxgeräte spendiert, sondern auch ihre neueste Erfindung, welche einen ganz normalen Computer in ein Bildtelefon verwandelt. Die Gesprächspartner können einander in die Augen schauen und, was nun wirklich neu ist, zusammen nebenher Bilder malen und auch sonst jeden Unfug treiben.

Gestern bei der Welturaufführung winkte uns nur der diensthabende Postbeamte in der Kurfüstenallee aus seinem Bildschirmfenster; in den nächsten Tagen aber sollen mit dem Gerät alle möglichen Verbindungen zur internationalen Kunstszene hergestellt werden; zu allem Überfluß gibt's auch noch gewöhnliche Modems und Bildtelefone beispielsweise für eine europaweite „Hochschulkonferenz“ oder auch mal nur für eine interaktive Verbindung mit der Klasse 7 d der Stadtteilschule am Leibnizplatz.

Die Situation ist nicht ganz undramatisch: Denn wer soll sich all die Daten ausdenken, die hier einmal zirkulieren können, ja sollen? Und was will man anfangen mit all dem Zeug, welches dann aus den Faxmaschinen quillt und aus den Lautsprechern quakt? Selbst Ihre unermüdliche Kulturredaktion, liebes Publikum, wird ja evtl. jeden Tag die schauderlichsten Pressemitteilungen aus dem Posteingang oder einfach Blätter mit selbstausgedachten häßlichen Wörtern in den Buntentorsteinweg beamen (Fax: 5579-563 bzw. -689 bzw. - 790), um dabeizusein. Und anderen fällt vielleicht noch Schlimmeres ein.

Der Künstlerin aber ist es schon recht. Ihre Arbeit ist es, unter den Menschen umzurühren, bis sie mindestens herumspielen, und was da am Ende herauskommt, ist ohnehin kein herkömmliches Werk, sondern vielmehr etwas überaus Zusammengewuchertes, ja Vegetatives, ein botanischer Kunstgarten, in dem man lustwandeln mag oder eben nicht. In den oberen Räumen der Galerie ist einiges von dem zu sehen, was unter ihrer Initiative in den letzten Jahrzehnten zustandegekommen ist: Da hängt zum Beispiel ein Eisenrohr, und siehe, es ist ein Hörrohr mit eingebauter Musik. Da stehen gemalte Pappmasken und flackern grimmig mit den Augenlöchern, weil dahinter ein Fernseher läuft. Da liegen Hunderte von bunten Buttons herum, und an den Wänden hängen kalkige Kopiererprints von Händen und Füßen, teils aufs Unmöglichste verzerrt und zerrupft, daneben Fotos von geflochtenen Filmspulen, daneben T- Shirts, bedruckt mit Aufnahmen von anderen Objekten, als da zum Beispiel die Fernseher wären, vor denen Bretter aufgestellt sind mit Löchern drin, in denen wiederum reihenweise Glaskugeln stecken, so daß wir die Bilder vervielfacht aufgebläht sehen, und lauter solche Sachen.

Und während von unten aus dem interaktiven Foyer immerzu neueste Meldungen dringen, etwa daß London jetzt endlich am Fax sei oder daß der dumme Roboter sich soeben ein Bein gebrochen habe, flimmert oben an den Galeriewänden ein Video, wo Menschen, denen sonst nichts Gräßliches anhaftet, mehrere Teigbuchstaben fritieren und auffressen; und überhaupt ist alles unvorhersehbar und voller Heiterkeit, ja: Heiterkeit.

Das kommt von der Animationsgabe der Künstlerin, welche offenbar ein jedes Ding und eine jede Idee mit der gleichen Herzlichkeit ihrem Werk eingemeindet, so daß, wer immer mitwerkelt, besonnt ist von dem Gefühl, kapitelchenweise beteiligt zu sein an einer großen, ja universalen Enzyklopädie. Das ist die Idee der Arleen Schloss. Eine große und umso erfreulichere Unverschämtheit.

Manfred Dworschak