Aus der Sicht des Erwachsenen

■ betr.: „Pädophagen“ (Pädophilie oder die mißbrauchte Kindheit), taz vom 6.1.94

Die arte-Sendung habe ich nicht gesehen – sie mag vieles offen gelassen haben. Was ich bei Wolfram Setz vermisse ist, daß er den taz- LeserInnen nicht erklärt, was er mit „einvernehmlichen (auch sexuellen) Beziehungen zwischen den Generationen“ meint.

Ich arbeite mit Kindern, denen der sexuelle Mißbrauch eindeutig geschadet hat; mancher ihrer Väter (Großväter, Onkel o.ä.) dachten, die sexuellen Handlungen seien einvernehmlich. Warum? Das Kind hat nicht „nein“ gesagt und seinen Unmut auch in anderer Form nicht ausgedrückt, hat diese Situation sogar von selbst hergestellt, nachdem es daran gewöhnt worden war.

Kinder haben äußerst sensible Antennen für die Wünsche des Erwachsenen, den sie mögen/lieben. Sie sind sehr leicht gefügig zu machen, denn sie begreifen nicht, was da passiert und machen mit. Schon allein durch den Altersunterschied gibt es ein Machtgefälle; von Einvernehmlichkeit zu sprechen ist eine praktische Rechtfertigung dafür, daß jemand weiter sexuell mißbraucht.

Es geht mir nicht darum, Kindern ihre Sexualität abzusprechen – sie muß nur vor dem Zugriff der Erwachsenen geschützt werden. Ariane Ehinger, Berlin