"Die Bilder werden eh nichts"

■ Opfer werden zu Tätern: Was einem Fotografen während der Besetzung des Preußischen Landtags widerfuhr, der den Studentenfrust dokumentieren wollte

Der Pressefotograf Rolf Zöllner hatte große Probleme, Bilder von der Besetzung des Abgeordnetenhauses durch StudentInnen am 29. November letzten Jahres anzufertigen. Immer wieder wurde er behindert und hätte fast seine Kameraausrüstung bei einer Rangelei verloren. Doch war es diesmal nicht die Berliner Polizei, die die Pressearbeit behinderte, sondern Verwaltungsangestellte des Abgeordnetenhauses. Rolf Zöllner wollte den Vorfall nicht auf sich beruhen lassen und schrieb einen Brief an die Präsidentin des Abgeordnetenhauses, Hanna-Renate Laurien, in dem er eine Erklärung für das Verhalten der Angestellten forderte. Rund einen Monat später, am 28. Dezember, erhielt er eine Antwort von Laurien. Beide Briefe liegen der taz vor.

Nach Zöllners Darstellung begann der Ärger mit einem Unbekannten, der ihn während der Räumung des Abgeordnetenhauses nach seinem Presseausweis fragte. Der Fotograf zeigte ihn und fragte im Gegenzug den „Zivilisten“, ob er sich auch „legitimieren“ könne. Nein, das müsse er nicht tun, lautete die Erwiderung. Später stellte sich ständig ein Kraftfahrer des Abgeordnetenhauses vor Zöllners Objektiv. „Die Bilder werden sowieso nichts“, kommentierte der Fahrer die Bitte des Journalisten, ihn in Ruhe seine Arbeit machen zu lassen. Erst als Zeugen des Vorfalls sich an den in der Nähe stehenden Direktor des Abgeordnetenhauses, Gohmert, wendeten, verschwand der „Störer“.

Zöllner war ziemlich entnervt und begann die Personen zu fotografieren, die ihn bewußt behinderten. Die Sicherheitskräfte des Hauses und Gohmert griffen daraufhin zu und versuchten, dem Fotografen die Kamera zu entreißen. Kollegen des Journalisten und Unbeteiligte verhinderten eine weitere Eskalation. Für die gesamte Zeit kann Zöllner Zeugen benennen. Das Verhalten von Lauriens Untergebenen verglich Zöllner in seinem Brief mit „der Art, sich gegenüber Journalisten zu verhalten, die mir aus den Zeiten der DDR noch allzu deutlich in Erinnerung ist“. Es wundere ihn, „daß derlei Gebaren geduldet wird“.

Wenn Rolf Zöllner erwartet hat, eine Klärung oder gar eine persönliche Entschuldigung von der „Dienstherrin“ für die Übergriffe ihrer Untergebenen zu erhalten, so wurde er enttäuscht. Die ehemalige Studienrätin Laurien gab Zöllner in ihrem Antwortschreiben eine umfassende Rechtsbelehrung und machte aus dem Opfer einen Täter. Jeder Journalist, so Laurien, sei verpflichtet, sich gegenüber den Angestellten des Abgeordnetenhauses auszuweisen. Außerdem habe Zöllner „seine Rechte als Bildberichterstatter unzulässig überschritten“. Als er die ihn behindernden Personen fotografierte, habe der Journalist das Recht am eigenen Bild verletzt. Damit setze er sich selbst ins Unrecht und „hätte in der Tat heftige Reaktionen provozieren können, zu denen es aber letztlich nicht kam“. Kein Wort der Entschuldigung, sondern die Aufforderung, die Fotos und Negative zu vernichten, die Zöllner ursprünglich nur zu Beweiszwecken und nicht zur Veröffentlichung aufnehmen wollte.

JournalistInnen im Abgeordnetenhaus, aufgepaßt! Jeder kann nach dem Presseausweis fragen, ob er als Mitarbeiter des Parlaments erkennbar ist oder nicht. Und wenn es mal zu Auseinandersetzungen mit den Angestellten kommt, kann offenbar kein neutraler Zeuge die Präsidentin von dem Unrecht ihrer Untergebenen überzeugen. Olaf Bünger