„Staatsbank der Information“

■ Letzte Reformversuche beim Parteiproporz-Sender RAI

Die RAI steckt in einer akuten Finanzkrise: Die Banken verweigern weitere Kredite, das Haushaltsjahr 1993 wurde mit einem Verlust von umgerechnet 500 Millionen DM abgeschlossen. Die Rezession, steigende Kosten, die aggressive Konzentrationspolitik auf dem italienischen Medienmarkt und der daraus resultierende drastische Rückgang der Werbeeinnahmen bedrohen den Sender existentiell. Nun will die Regierung die RAI mit einer Bürgschaft in Höhe von mehreren hundert Millionen Mark retten.

Die RAI, eine Aktiengesellschaft des privaten Rechts, deren Anteile direkt vom Staat getragen werden, weist die Strukturen einer öffentlich-rechtlichen Anstalt auf. Der Rundfunkgigant beschäftigt 13.000 Menschen und verfügt über einen Etat von rund 4,3 Milliarden Mark. Finanziert wird die RAI zu 57 Prozent aus Rundfunkgebühren, zu 32 Prozent aus Werbeerträgen und zu zehn Prozent durch Einnahmen aus Nebentätigkeiten. Doch das italienische Mediengesetz beschränkt die Werbezeit der drei RAI-Programme auf zwölf Prozent pro Stunde und auf vier Prozent täglich.

Der private Rundfunk in Italien, allen voran die Senderketten des Medienunternehmers Silvio Berlusconi – Canale Cinque mit einem Familienprogramm, Rete 4 mit einem Programm für Frauen sowie Italia 1 mit einer jugendlich- sportlichen Orientierung – liegen in der Zuschauergunst vor dem Staatskonkurrenten RAI. Zwar wird die bislang unbeschränkte Werbezeit für die Privaten nun durch ein neues Mediengesetz geregelt, doch kommen Berlusconis Programme noch auf stattliche 18 Prozent Werbung pro Stunde und auf 15 Prozent Werbung im täglichen Gesamtprogramm.

Claudio Dematté, neuer Intendant der RAI, hatte nach Offenlegung der katastrophalen Finanzsituation die staatliche Unterstützung gefordert. Der Staat reagierte und veranlaßte, daß die Rundfunkgebühren um fünf Prozent gehoben werden; 1994 beträgt der Tarif 156.000 Lire. Zudem werden die Abgaben der RAI gesenkt. Weiterhin sollen externe Wirtschaftsprüfer das Staatsschiff auf den richtigen Kurs bringen. Die Regierung verlangte auch einen Sitz im RAI- Finanzrat, was die Journalistengewerkschaft um die redaktionelle Freiheit fürchten ließ.

Medienmogul Silvio Berlusconi, der nach den letzten Kommunalwahlen für Aufsehen gesorgt hatte, weil er öffentlich Sympathien für die Neofaschisten bekannte, kommentierte die staatliche Bürgschaft in einem Interview im Corriere della Sera und kritisierte, daß dies „eine große Belastung für den maroden Staatshaushalt“ sei und zudem die linken Parteien stärke, die nun deshalb die nächsten Parlamentswahlen gewinnen könnten, weil die Rechtsextremen bei den drei RAI-Sendern kaum Sympathien genössen. Außerdem drohte Berlusconi mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wegen Verletzung des Prinzips der freien Konkurrenz.

Die interne Umstrukturierung des Proporzsenders RAI lief schon seit längerem auf Hochtouren. In RAI uno pflegten die Redakteure Hofberichterstattung für die Christdemokraten, in RAI due für die Sozialisten und in RAI tre erst für die Kommunisten, dann für die Linksdemokraten. Gegen den Widerstand der Parteien sorgten Intendant Dematté und Generaldirektor Gianni Locatelli für eine kleine Palastrevolution: „Die RAI muß eine Staatsbank der Information werden, denn Information ist ein Gemeingut wie die Währung.“ Man könne „vom Bürger keine Gebühren verlangen, wenn wir nicht effektiv für ihn arbeiten“. Sie wollen für eine Reduzierung von Klamauk & teuren Shows sowie eine glatte Diversifikation der drei Kanäle nach Schwerpunkten – nicht mehr nach Parteienzugehörigkeit – sorgen. Nun soll RAI uno in einen Unterhaltungs- und Informationskanal, RAI due in einen reinen Kulturkanal umgewandelt sowie RAI tre in mehrere Regionalprogramme unterteilt werden. Erbil Kurt