Ziel bleibt ein Staat Palästina

■ Der palästinensische Delegationsleiter in Taba, Nabil Schaath, über die Schwierigkeiten bei den Verhandlungen mit den Israelis

taz: Warum gibt es bis heute keine Einigung über die Umsetzung des Gaza-Jericho-Abkommens?

Nabil Schaath: Für uns gibt es kein Thema, für das sich keine Lösung finden ließe. Wir sind dem verpflichtet, was wir in Washington unterzeichnet haben, auch wenn manche Punkte vielleicht nicht zu unserer Zufriedenheit ausgefallen sind. Das gleiche gilt auch für die Israelis. Wir werden alles daransetzen, Taba erst dann wieder zu verlassen, wenn die Vereinbarungen stehen.

Und was ist mit der Kontrolle der Grenzübergänge, der Abgrenzung des Territoriums von Jericho und den Sicherheitszonen um die Siedlungen im Gaza-Streifen?

Alle Fragen, die mit der palästinensischen Souveränität in Zusammenhang stehen, führen naturgemäß zu großen Differenzen. Wir verschweigen nicht, daß unser langfristiges Ziel die Errichtung eines palästinensischen Staates ist. Wir sehen im Gaza-Jericho-Abkommen einen Schritt in diese Richtung und wollen dies natürlich auch in den Durchführungsbestimmungen widerfinden. Die Israelis versuchen genau das zu verhindern. Uns stehen noch viele Auseinandersetzungen bevor, zum Beispiel wenn erst einmal über die Übergabe von Exekutiv- und Legislativvollmachten von der Besatzungsmacht an die Palästinenser verhandelt werden wird. Wir werden jeden Versuch ablehnen, uns an der Ausübung unserer Souveränitätsrechte zu hindern. Wir haben durchaus Verständnis für die israelischen Sicherheitsbedürfnisse – aber bitte nicht auf unsere Kosten. Ihre Empfindlichkeiten bezüglich der Sicherheit sind zuweilen übertrieben und führen dazu, daß sie sich nicht mehr rational verhalten.

Die Israelis behaupteten vorletzte Woche, sie hätten in Kairo ein Übereinkommen erreicht. Das wurde dann wieder dementiert. War das ein Mißverständnis?

Unterstellen wir den Israelis einmal gute Absichten, so können wir sagen, es war der Versuch, die Verhandlungsparteien vor vollendete Tatsachen zu stellen und dann so zu tun, als hätte es tatsächlich Fortschritte gegeben und als würden wir diese Ansicht auch noch teilen. Streiten wir den Israelis diese gute Absicht ab, dann war es ein Versuch, Druck auf die PLO auszuüben, indem man sie als jemanden an den Pranger stellt, der seinem Wort untreu geworden ist.

Israels Außenminister Schimon Peres forderte den Leiter der Verhandlungen von Kario, Abu Masen, auf, „sein Schweigen zu brechen“. Kann es nicht doch sein, daß Abu Masen und Schimon Peres zu einer Übereinkunft gekommen sind, die dann später von der PLO-Führung wieder zurückgenommen wurde?

Es ist nun einmal bei Verhandlungen üblich, daß jede Seite versucht, Keile in die Reihen der Gegenseite zu treiben. Es ist anzunehmen, daß Peres das auch mit der palästinensischen Delegation versucht. Das Thema ist inzwischen zu den Akten gelegt und es lohnt nicht mehr, darüber ein Wort zu verlieren.

Immerhin haben die Auseinandersetzungen deutlich gemacht, daß es auch drei Monate nach dem Beginn der Verhandlungen um die Umsetzung des Gaza-Jericho-Abkommens keinerlei Fortschritt gibt.

Das ist so nicht richtig. Wir haben bei fast allen Verhandlungsblöcken Fortschritte erzielt, so zum Beispiel bei der Diskussion um die Freilassung der politischen Gefangenen oder der Frage gemeinsamer Militär- und Polizeipatrouillen. Allerdings werden wir dies offiziell erst im Rahmen der endgültigen Unterzeichnung der Durchführungsvereinbarungen zum Gaza-Jericho-Abkommen bekanntgeben.

Eine Gruppe von „PLO-Reformern“ unter Haider Abdel Schafi kritisiert in einem Memorandum an die PLO-Führung die Verhandlungsführung.

Ich bin sehr froh darüber, daß sie nach Tunis gereist sind. Wir brauchen die Beteiligung von mehr Leuten. Die Kritiken richten sich gegen die politische Verhandlungsführung, nicht aber gegen die Verhandlungsdelegation. Interview: Khalil Abied