Mammutprozeß um Schutzgelderpressung

■ Verfahren um Finanzierung der PKK durch Schutzgelder erneut aufgerollt / 58 Zeugen sollen vernommen werden

Zum ersten Mal findet in Berlin ein Prozeß statt, der beweisen soll, daß die jetzt verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK mit in Deutschland erpreßten Spendengeldern finanziert wurde. Der erste Prozeßtermin vor dem Landgericht platzte Ende November 93, weil der Vorsitzende Richter Hillenbrand annahm, die beiden Angeklagten würden sich schon am ersten Verhandlungstag geständig zeigen. Die beiden Kurden Hasan B. und Celal B., so die Hoffnung des Richters, würden bereitwillig zugeben, daß sie in Berlin von September 1992 bis März 1993 im Auftrag der marxistisch-leninistischen Kaderpartei PKK Spendengelder eintrieben und einen nicht zahlungswilligen kurdischen Geschäftsmann krankenhausreif prügelten – nach einer erfolglosen Zahlungsaufforderung von 20.000 Mark. Außerdem sollen sie, so die Anklage, zusammen mit unbekannten Tätern, eine türkische Jugendgruppe überfallen haben, die im Wedding PKK-Flugblätter von den Hauswänden gerissen habe.

Dem Richter erschien das bei einer Wohnungsdurchsuchung gefundene Belastungsmaterial – PKK-Flugblätter, Kontoauszüge, Quittungsbücher, Namenslisten und Dossiers über potentielle Spender – so umfangreich, daß er im November nicht einmal Zeugen lud. Die seit März in Untersuchungshaft sitzenden Angeklagten, die eine PKK-Mitgliedschaft bestreiten, forderten eine sofortige Zeugenvernahme, auf Antrag der Verteidigung wurde die Verhandlung unterbrochen.

Gestern begann der vertagte Prozeß aufs neue. Geplant sind 14 Verhandlungstage und die Vernehmung von 58 Zeugen. Mit einem Urteil ist nicht vor Mitte April zu rechnen. Aber bevor es gestern zur Verlesung der Anklage kam, mußte sich das Gericht mit erneuten Vertagungsanträgen befassen. Weil der wichtigste Hauptbelastungszeuge, der zahlungsunwillige und deshalb mit Metallstöcken zusammengeschlagene kurdische Reisebürobesitzer Kemal C., bis März auf Urlaub in der Türkei ist, kann er erst am elften Verhandlungstag gehört werden.

Bis dahin würden vor Gericht nur Polizisten auftreten, kritisierten die Anwälte Bernd Borgmann und Paul Eisermann. Die Gefahr sei groß, daß der Richter sich durch die „nach Berufsgruppen sortierten Zeugen“ schon vor der Vernehmung des Hauptbelastungszeugen Kemal C. ein Urteil bilde, argumentierten sie. Der Prozeß müsse bis zum Eintreffen des Urlaubers ausgesetzt und die beiden Angeklagten auf freien Fuß gesetzt werden. Zumal die Vorwürfe des Gerichts, räuberische Erpressung und Körperverletzung, in keinem Verhältnis zur bisherigen Dauer der U-Haft stünden und eine Fluchtgefahr nicht bestehe.

Denn beide Angeklagten, einer besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit, leben schon seit 20 Jahren in Berlin und haben hier viele Kinder. Nach mehrmaligen Beratungspausen wies dann das Gericht beide Anträge als unbegründet zurück und vertagte sich auf kommenden Freitag. Anita Kugler