■ Einbürgerung in Deutschland – ein Hürdenlauf:
: Beim Blute meines Großvaters

Köln (taz) – Alle sind gleich, nur einige sind nicht ganz so gleich. Zum Beispiel Menschen deutscher Staatsangehörigkeit mit einem Partner von jenseits der europäischen Festungsmauer. Für den langfristigen außer-EG-lichen Beischlaf besteht hierzulande nämlich bis auf wenige Ausnahmen Heiratszwang, während zum Beispiel deutsch-deutsche Pärchen einander bis in die Ewigkeit ohne Trauschein lieben dürfen.

Diese bittere Pille wird standhaften Eheleuten wie uns allerdings nach drei Jahren durch die Gewährung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis versüßt, ein Status, der einen vor dem lästigen alljährlichen Gang zum Amt bewahrt. So zockelten wir kurz nach unserem dritten Hochzeitstag zum Bezirksamt. Und da wir schon mal dabeiwaren, wollten wir auch gleich einmal fragen, wie das mit der Einbürgerung ist. Vielleicht kommt ja doch irgendwann die doppelte Staatsbürgerschaft...

Nümmerchen ziehen, warten, dösen, klingeling, A 486! Frau Müller, Sachbearbeiterin Buchstaben S bis U, gab sich ausgesprochen ausländerfreundlich und lächelte gekonnt durch uns hindurch. „Also“, holte ich tief Luft und setzte zu meinem Plädoyer an, „er zahlt an Steuern, Rente, Krankenkasse, Arbeitslosenversicherung satte 1.800 Mark im Monat und war noch nie arbeitslos. Deutsch kann er auch schon ganz gut, für die kurze Zeit, die er hier ist.“ – „Das reicht leider nicht für eine Einbürgerung“, entgegnete Frau Müller. „Verstehen Sie doch, mein Ehemann ist zwar Palästinenser, aber mit israelischem Paß, und darf in fast kein arabisches Land einreisen. Ich bin Journalistin mit Schwerpunkt arabischer Naher Osten, und wir können außer nach Ägypten nirgends zusammen hinfahren!“ Das fand Frau Müller gar nicht gut, sie wurde richtig sauer: „Also, hören Sie mal, so pragmatisch dürfen Sie da schon gar nicht rangehen, da erhält Ihr Gatte nie den deutschen Paß.“ – „Ja, aber wenn praktische Gründe keine Rolle spielen dürfen, was dann?“ – „Na ja“, dachte Frau Müller laut nach, „also ein gewisses Bekenntnis zum Deutschtum..., das erwarten wir schon.“

Deutschtum – leider wußte auch Frau Müller nicht, was wirklich mit dieser gräßlichsten Versuchung, seit es unsere Sprache gibt, gemeint ist. Beunruhigt dachte ich an den deutschen Paß in meiner Tasche. Mußte ich mich jetzt zu Wagner bekennen? Oder zu Bratwurst? Und zu was bekannte sich wohl Frau Müller?

Frau Müller indes hegte offenbar keinen Zweifel am Willen meines Mannes zum Deutschtum und wurde im Handumdrehen beängstigend konkret. „Schauen Sie, Sie besorgen sämtliche Schul- und Arbeitszeugnisse von der Grundschule an, beglaubigt und übersetzt. Bei Ihrem Einkommen müssen Sie außerdem mit drei- bis viertausend Mark Gebühren rechnen.“

Vor meinem geistigen Auge zerfielen kostbare 1.000-Mark- Scheine zu Konfetti, und Frau Müller lächelte durch mich hindurch: „Und Sie, sind Sie Deutsche? Dann brauchen wir von Ihnen einen Abstammungsnachweis der letzten hundert Jahre, zumindest aber die Geburtsurkunde des Großvaters väterlicherseits.“ Aber den konnte ich nicht ausstehen! Meine Oma dagegen hatte ich richtig gern. Und was, wenn mein Großvater gar nicht mein richtiger Großvater war? Wenn Oma doch irgendwann mit einem anderen was am laufen hatte? Irgendwie kam es mir logischer vor, die Geburtsurkunde der Großmutter zu verlangen. Aber die Zeit für solche Fragen ist in deutschen Amtsstuben anscheinend noch nicht gekommen. Ob mein Opa wohl schwarz-rot-goldenes Blut in den Adern hatte? Das mit der Einbürgerung müssen wir uns doch noch mal überlegen ... Martina Sabra