Das Volk fragt - Wandsbek schweigt

■ Filzskandal Hamburger Stahlwerke in der Bürgerschaft: Ex-Geschäftsführer Weiland erschien gar nicht erst   Von Florian Marten

Hat sich mit Gerd Weiland ein führender Hamburger Sozialdemokrat dank stadtstaatlicher Hilfe privat bereichern können? Sind Gewinne von den Hamburger Stahlwerken (HSW) an die stahlverarbeitende Holding WDI (zum Teil in Weilands Privatbesitz) geflossen? Gab und gibt es Unsauberkeiten bei Lebensversicherungen und Pensionsleistungen für den Stahlmanager Weiland? Hat Weiland aus Eigeninteresse eine industrielle Übernahme der Stahlwerke in den 80er Jahren verhindert? Hat es politische Gegenleistungen an führende Wandsbeker Genossen, z.B. Henning Voscherau gegeben? Wer sich von der gestrigen Bürgerschaftssitzung zum HSW-Subventionsskandal Aufklärung, zumindest aber Stellungnahmen der Betroffenen erwartet hatte, wurde erwartungsgemäß enttäuscht.

Weiland blieb der Sitzung gleich ganz fern, hatte lediglich einen privaten Vertrauten zur Beobachtung entsandt. Auch andere Vertreter der in den Stahlwerke-Filz besonders verwobenen Wandsbeker SPD-Spitze hielten sich an die intern vereinbarte Schweigelinie. Allein Stadtchef Voscherau (SPD Wandsbek) ging in die Bütt. Zu den konkreten Vorwürfen und Fragen verlor er kein Wort. Umso engagierter verteidigte er dagegen das städtische Engagement in Sachen Stahlwerke seit 1983. Heute gehe es darum, zu prüfen, ob die HSW eine Überlebenschance hätten. Die Unternehmenberatungsfirma McKinsey wird in Kürze einen HSW-Bericht vorlegen, auf dessen Grundlage über Konkurs oder die Suche nach einem industriellen Partner entschieden wird.

Statt Aufklärung konnte der politische Beobachter der gestrigen Bürgerschaftssitzung freilich immerhin strategisch ausbalanciertes Polittheater vom Feinsten erleben. SPD und Statt-Partei schickten ein sorgsam ausgewähltes Redner-Quartett ins Rennen, welches die Aufgabe, den Stahlwerk-Filz sorgsam abzuschirmen, elegant erledigte. Statt-Parteichef Markus Wegner sorgte sich urplötzlich nicht um Transparenz, sondern bekannte: „Ich will nicht, daß Weiland die Hosen herunterläßt. Ich möchte meinem Kooperationspartner kein Ungemach bereiten.“ Auch Wirtschaftssenator Rittershaus zeigte Flagge und wischte alle Filzfragen vom Tisch: „Es geht um 700 Arbeitsplätze - um nichts anderes.“

Noch engagierter ging der SPD-Altlinke Jan Ehlers, ehemaliger Voscherau- und Weiland-Feind, gerade aber mit Wandsbeker Hilfe in seinem Amt als Vizefraktionschef bestätigt, zur Sache: Es sei unglaublich, wie die Medien ihre Vorwürfe gegen Weiland und Voscherau „grob ungerecht hinrotzen“. Stattdessen müsse man „Respekt vor der unternehmischen Leistung“ Weilands haben. Allein die SPD-Nachwuchshoffung Dobritz deutete vorsichtig an, daß es sogar in der SPD-Fraktion Fragen und Bedenken gibt. Er appellierte an Weiland, „zur Aufklärung beizutragen“. Krista Sager ratlos: „Wir erleben hier Scheingefechte im staatlichen Goldgräberclaim“.