Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Angola

■ Ausländerausschuß beschließt mit knapper Mehrheit Abschiebestopp / Heute muß das Parlament entscheiden

Die Flüchtlingshelferin Traudl Vorbrodt und all ihre MitstreiterInnen von amnesty international, Kirchenverbänden sowie eine große Gruppe von AngolanerInnen setzten sich gestern optimistisch auf die Zuschauerstühle im Abgeordnetenhaus. Sie waren sich sicher, daß der Ausschuß für Ausländerfragen aus humanitären Gründen einen Abschiebestopp für angolanische Bürgerkriegsflüchtlinge beschließen werde. Den entsprechenden Antrag hatte Ismail Kosan von der Fraktion Bündnis 90/Grüne gestellt, nachdem Innensenator Heckelmann kurz vor Weihnachten einen inoffiziellen Berliner Abschiebestopp aufgrund eines aktualisierten Lageberichtes des Auswärtigen Amtes aufgehoben hatte.

Traudl Vorbrodt hatte mit ihrer Prognose recht. Mit der knappen Mehrheit von sieben (SPD, FDP, Bündnis 90, PDS und ein CDU- Minderheitenvotum) zu fünf Stimmen, bei einer Enthaltung, wurde der Abschiebestopp beschlossen. Grundlage ist der Paragraph 54 des Ausländergesetzes, wonach jedes Bundesland für die Dauer von sechs Monaten im Alleingang über eine Sonderregelung entscheiden kann. Erst danach muß das Einverständnis aller Innenminister eingeholt werden. Endgültig wird über den Abschiebestopp aber heute das Parlament entscheiden, das aufgrund des ebenfalls verabschiedeten Dringlichkeitsantrags sich mit den angolanischen Flüchtlingen beschäftigen muß.

Was die im Saal anwesenden Debattenbeobachter aber nicht ahnen konnten, war das Niveau der Auseinandersetzung. Innensenator Heckelmann (CDU) funktionierte die politische Debatte zu einem juristischen Oberseminar um. Berlin könne keinen befristeten Abschiebestopp erlassen, denn nicht Berliner Behörden, sondern alleine das Bundesamt für die Anerkennung politischer Flüchtlinge entscheide über Asylbegehren und die individuellen Abschiebungshindernisse, argumentierte er. Die Berliner Behörden, also auch er, hätten keinen Entscheidungsspielraum, sondern nur die Kompetenz, die Ausreisepflicht durchzusetzen.

Nur wenn neue Abschiebungshindernisse sich ergeben würden, könnten Berliner Gerichte neu entscheiden. „Ich kann nicht von politischen Entscheidungen die Anwendung des Rechts abhängig machen“, sagte er. Und Maßgabe des rechtlichen Handelns sei der aktualisierte (halbseitige) Lagebericht des Auswärtigen Amtes, der festgestellt habe, daß der angolanische Flughafen in Luanda noch von internationalen Fluglinien angeflogen werden kann. Und der Rechtsprofessor Heckelmann endete mit der Belehrung, daß ein Gruppenantrag, wie von den Grünen gestellt, erst dann behandelt werden könne, wenn das Auswärtige Amt die Verfolgung angolanischer Flüchtlinge nicht mehr nur als individuelle Tragik, sondern als Gruppenschicksal begreife.

Aber genau darum ging es den Antragstellern und dem wie ein Löwe um einen Abschiebestopp kämpfenden Eckhardt Barthel (SPD). Zwischen dem Lagebericht aus Bonn und den zahlreichen Berichten von Menschenrechtsorganisationen über die Lage im Bürgerkriegsland klaffe eine riesige Differenz, betonte er. Eine Einschätzung, die die CDU mehrheitlich nicht teilte. Angola sei so groß, da gäbe es auch „bürgerkriegsfreie“ Enklaven. Anita Kugler