Ostmitteleuropa gibt sich zufrieden

US-Präsident Bill Clinton erläutert in Prag das Nato-Konzept „Partnerschaft für den Frieden“ / Die tschechische Regierung will dieses so weit wie möglich ausnutzen / Kritik von Walesa  ■ Von Sabine Herre

Berlin (taz) – Der Besuch eines US-Präsidenten ist in Prag noch immer etwas ganz besonderes. Zeigt er doch, daß das Land sich aus seiner Einbindung in den „Ostblock“ gelöst und nun als Gesprächspartner des Westens akzeptiert wird. Mit ganz besonderer Genugtuung hatte man in Tschechien jedoch auf die Ankündigung reagiert, daß Bill Clinton nicht in Warschau, Budapest oder Bratislava, sondern in der Stadt an der Moldau den Vertretern der vier ostmitteleuropäischen Staaten die Beschlüsse des Nato-Gipfels erläutern werde.

Doch auch Polen und Ungarn hätten den US-Präsidenten am liebsten in der eigenen Hauptstadt empfangen und reagierten entsprechend mißmutig. Nicht zufrieden zeigten sie sich auch über das von den Tschechen ausgearbeitete Besuchsprogramm. Während die Prager Regie bilaterale Gespräche vorsah, hatten sie eine gemeinsame Besprechung aller vier Višegradstaaten mit Clinton gewünscht.

Das Prager Vorgehen war jedoch wohlbegründet. Denn das Vorsprechen der Präsidenten bei Clinton entspricht ganz dem Nato- Konzept der „Partnerschaft für den Frieden“. Dieses sieht vor, daß die osteuropäischen Staaten nach einem Ausbau der Zusammenarbeit mit der Nato sich nicht im „Block“, sondern einzeln um eine Nato-Aufnahme bewerben und kommt so den tschechischen Vorstellungen entgegen.

An der Moldau geht man davon aus, daß das wirtschaftliche Musterland als erstes die Einlaßgenehmigung der Nato erhalten wird. Prag ist sich seiner Sache so sicher, daß die Regierung bereit ist, ein noch vor Wochen gefeiertes Ergebnis ihrer Stabilitätspolitik aufzugeben. Der ausgeglichene Haushaltsplan für 1994 wird erweitert, für die Zusammenarbeit mit der Nato sind nun zusätzliche Ausgaben von einem Prozent des Haushalts vorgesehen. Die Regierung machte deutlich: Selbst wenn sie das Partnerschaftskonzept nur als „ersten Schritt“ sieht, wird sie nun alles daran setzen, um das Beste aus dem Angebot des Bündnisses herauszuholen. Verteidigungsminister Baudyš: „Das Nato-Konzept gewährt einen unglaublich breiten Raum, der von Null bis zu engstmöglichen Zusammenarbeit reicht.“ Daß im Land dennoch eine gewisse Enttäuschung über die Nato herrscht, wurde so allein in den Medien deutlich. In einem Kommentar der Tageszeitung Lidove noviny heißt es, bei Clinton stehe an erster Stelle immer die Innenpolitik. In den Beziehungen zu Osteuropa jedoch hätten Rußland und der Balkan Priorität.

Während auch die ungarischen Vertreter das Nato-Konzept lobten, kam die schärfste Kritik an dem Bündnis von Polens Präsident Walesa. Obwohl die Warschauer Regierung in einer Sondersitzung das Partnerschafts-Angebot begrüßt hatte, vertrat Walesa die Ansicht, daß man auf dem Nato-Gipfel in Brüssel nicht weit genug gegangen sei. Vor seiner Ankunft in Prag hatte er eine „schwierige Unterredung“ mit Clinton angekündigt, der US-Präsident werde die „uns aufgezwungene Konzeption verteidigen“. Beobachter gehen jedoch davon aus, daß Walesas Kritik mehr innen- als außenpolitische Gründe hat.

Sehr zurückhaltend verhielt sich dagegen der slowakische Präsident Michal Kováč. Dabei hätte gerade er Grund zu scharfem Protest gehabt: Bei der Aufzählung der Staaten, von denen die Nato annimmt, das sie als erste in das Bündnis aufgenommen werden, tauchte die Slowakei nicht mehr auf. Der slowakische Premier Meiar versuchte jedoch, die Bedeutung dieser Aufzählung herunterzuspielen. Der deutsche und der britische Außenminister hätten in persönlichen Gespächen zugesichert, daß sie gegenüber der Slowakei keine andere Politik als gegenüber den übrigen Višegrad-Staaten verfolgen. Die Opposition in Bratislava nahm die Ausklammerung der Slowakei dagegen mit Sorge auf. Sie vertritt die Ansicht, daß Meiar sich nicht genügend für die Integration eingesetzt habe, weil er sie gar nicht wolle.