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Schräge Primadonnen

■ St.Pauli Theater: Travestie-Opernparodie aus New York

Azucena greift ins Feuer, um ihren Sohn vor den Flammen zu retten: „Aaaautsch“, schreit sie und verbrennt sich die Finger. Rasch eine Sonnenbrille gegriffen und noch einmal prüfend in die Glut geblickt: Schulterzuckend stellt die Zigeunerin fest, daß es tatsächlich nicht das Kind des Grafen war, das sie den Flammen geopfert hat – eine Parodie auf das Pathos der Oper, hier im Speziellen auf Verdis Il Travatore.

Seit Freitag abend müssen Verdi, Rossini, Puccini, Wagner und Bizet im St. Pauli-Theater dran glauben: Die Gran Scena Opera Company aus New York zeigt ihre Travestie-Opernparodie. Da lispelt Mario Cavaradossi in Puccinis Tosca, und eine „105jährige“ Operndiva trägt das Liebeslied aus La Boheme vor.

Die Premiere kam an: Das Publikum spendete am Freitag tosenden Beifall und erklatschte sich sogar zwei Zugaben. Doch noch in der Pause gingen die Meinungen auseinander. „Die Stimmen und Kostüme sind toll“, begeisterte sich eine junge Frau. „Man müßte aber die Stücke kennen. So weiß man gar nicht was los ist“, nölte ihr Begleiter. Ein wenig erklärt werden die gezeigten Opernauschnitte aber schon. Eine alternde Diva, die an Lilo Wanders aus dem Schmidt Theater erinnert, erklärt vorab in Englisch und radebrechendem Deutsch, worum es im Folgenden geht. Details erschließen sich aber nur, wenn man sich auskennt oder den Opernführer dabei hat.

Natürlich fehlen auch altbekannte Travestie-Schlüpfrigkeiten nicht: „Es wird mir ein Vergüngen sein, mich für Euch darzulegen“, sagt Madame Vera Galupe-Borszkh, bevor sie ihre Arien zu schmettern beginnt. Fest steht, daß der sirenenartige Gesang auch bei einer Karaoke-Veranstaltung auf dem Pinneberger Jahrmarkt Begeisterung auslösen könnte. Doch ist das hohe C richtig schon schräg, kommt auch das Publikum erst richtig in Rage. Komödiantische Einlagen versüßen dabei die inbrünstigen Gesänge. Sind manche Witzchen auch schon etwas angegrabbelt und englisch gesprochenes Deutsch auf Dauer eher ermüdend als lustig, machen die männlichen Primadonnen von der La Gran Scena Opera Company doch Hunger auf Bildung: Geh' mal wieder in die Oper. Umgekehrt geht's also auch. Andrew Ruch

St. Pauli-Theater, bis 20. Februar (Mi bis So), jeweils 20 Uhr

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