Dem Tausendfüßler geht's an die Glieder

Gläubiger der heillos überschuldeten Metallgesellschaft haben offenbar den drohenden Konkurs abgwendet / Teures Vergnügen für Banken wie auch für Arbeitnehmer  ■ Von Erwin Single

Frankfurt (taz) — Redlich hatte sich Kajo Neukirchen um ein Erfolgserlebnis bei der Rettung der konkursreifen Frankfurter Metallgesellschaft (MG) bemüht – lange vergeblich. Am Samstag abend endlich durfte der MG-Chef die grundsätzliche Unterstützung der Gläubigerbanken für sein milliardenschweres Sanierungskonzept verkünden. Damit, so der Profisanierer, verfüge das Unternehmen über eine Grundlage, die neue Perspektiven eröffne. „Wir können uns jetzt mit ganzer Kraft den vor uns liegenden Aufgaben widmen.“

Wie diese aussehen, davon gab der erst im Dezember für den gefeuerten MG-Chef Heinz Schimmelbusch als Feuerwehrmann geholte Neukirchen bereits eine Kostprobe: Der mit 258 Firmen weitverzweigte Rohstoff-, Recycling- und Technologiekonzern wird mehrere Unternehmen abstoßen, darunter den Neckarsulmer Autozulieferer Kolbenschmidt und die kanadische Bergbaugesellschaft Metal Mining. Der Rest des derzeit 58.000 Beschäftigte zählenden Industrie-Riesen wird dann kräftig durchrationalisiert: Von den nach den Verkäufen übriggebliebenen Arbeitsplätzen werden fast 9.000 abgebaut. „Bei MG müssen wir uns von 750 Millionen Mark Personalkosten verabschieden“, so der Vorstandschef.

Erst in einer zehnstündigen Marathonsitzung konnten die Großaktionäre und 120 Gläubiger ihre tagelang schwelende Kontroverse um das Finanzkonzept beilegen. Bis auf „wenige Gremienvorbehalte“, so ließ der Konzernvorstand anschließend lapidar mitteilen, hätten die Gläubigerbanken dem Plan zugestimmt, die mit über neun Milliarden Mark verschuldete Metallgesellschaft mit neuen Eigenmitteln in Höhe von 2,7 Milliarden sowie 700 Millionen an neuen Krediten zu versorgen.

Doch ohne Nachbesserungen ging das Paket nicht über den Tisch. Der ursprüngliche Sanierungsplan sah vor, daß die Gläubigerbanken die neuen Kredite alleine aufbringen sollten. Vor allem die französischen Banken, bei denen die MG mit rund 700 Millionen Mark in der Kreide steht, drängten jedoch auf ein stärkeres Engagement der Anteilseigner. Nun müssen die Großaktionäre Deutsche und Dresdner Bank knapp die Hälfte der Neukredite selbst tragen. Bereits im Dezember hatten die beiden Banken, mit rund 20 beziehungsweise 13 Prozent an der MG beteiligt, insgesamt 1,5 Milliarden als Liquiditätshilfe bereitgestellt, als Riesenverluste aus halsbrecherischen Öltermingeschäften in den USA bekannt wurden.

Wie die Eigenmittel aufgestockt werden, darüber wird am 24. Februar eine außerordentliche Hauptversammlung entscheiden. Nach dem Sanierungskonzept sollen die Gläubiger 38 Prozent der Kapitalaufstockung von 1,4 Milliarden Mark tragen. Der Rest wird von den Großaktionären Deutsche Bank, Dresdner Bank, Allianz, Daimler-Benz und Kuwait aufgebracht. Die Gläubigerforderungen von 1,3 Milliarden Mark wollen die Anteilseigner zunächst im Verhältnis 5:1 in Genußscheine umwandeln, die dann ab 1996 gegen MG-Aktien eingetauscht werden können. Aber auch hier regte sich Unmut: Stimmrechte sind mit den Genußscheinen nicht verbunden, Zinsen gibt es auch nicht.

Noch am Freitag hatte der neue MG-Vorstand neue Horrorzahlen verkündet: Die Verluste – bis zum Ende des Geschäftsjahrs im September 1,8 Milliarden DM – seien seither weiter anstiegen, und nun seien die Eigenmittel des Unternehmens aufgezehrt. Nach den Bestimmungen des Aktiengesetzes hätte das Management in dieser Woche Konkurs anmelden müssen, wären die Banken nicht kurzfristig eingesprungen.