■ Mit dem Bier-Durst auf du und du
: Ernüchterung

Berlin (taz) – Essen und trinken muß man immer. Auf der Basis dieser schlichten Wahrheit haben es die Eigentümer von Supermarktketten zu den größten Privatvermögen Deutschlands gebracht. Nachdem der erste Nachkriegshunger gestillt war, begann im Lebensmittelhandel der Kampf um Marktanteile, den nur die wenigsten Tante-Emma-Läden überlebten.

Ähnliches Ungemach droht nun auch den vielen kleinen und mittelgroßen Brauereien in Westdeutschland. Zwar wird hierzulande immer noch viel Bier getrunken – pro BundesbürgerIn und Tag ungefähr eine 0,33-Flasche – doch der große Durst läßt langsam, aber stetig nach. Wie in den USA führt nun auch in Deutschland ein gestiegenes Gesundheitsbewußtsein zu Alkoholverzicht. Dennoch greifen nur wenige zu alkfreien Bieren, deren Marktanteil bei vier Prozent stagniert.

Als fatal erweist es sich nun nach einer Analyse des Wirtschaftsdienstes Platow-Brief, daß die westdeutschen Mittelständler 1990 größere Braukessel anschafften, um den Bierdurst der Ostdeutschen zu stillen. Im ersten Vereinigungsrausch hatten die Ossis auch beim Bier ins Regal mit Westprodukten gegriffen. Heute besinnen sie sich wieder auf ihre Heimatbiere – und trinken vor allem auf das Wohl westdeutscher Großbrauereien: Die nämlich haben die noch 70 bis 80 ostdeutschen Braustätten geschluckt und spucken nun jährlich mehr Hektoliter aus.

In Westdeutschland – wo es etwa 1.200 Brauereien gibt, die 5.000 Biermarken produzieren – verringerte sich im vergangenen Jahr der Bierausstoß bereits um über fünf Prozent. Langfristig, so der Platow-Dienst, werden wohl in Ostdeutschland 17 Millionen von gesamtdeutschen 110 Millionen Hektolitern gebraut werden.

Während sich die deutschen Brauer um Marktanteile streiten, werden künftig zusätzlich ausländische, vor allem tschechische, Brauer die bisher treudeutschen Biertrinker umwerben. Heute halten die Importe nur 2,5 Prozent des Biermarkts, bei steigender Tendenz, seit man in In-Kneipen mexikanische Biere trinkt. Die deutschen Brauer sind, obwohl sich ihr Produkt im Ausland großer Wertschätzung erfreut, erstaunlich bodenständig. Nur sechs Prozent der inländischen Produktion verlassen das Land. dri