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Ankläger: Mord und Totschlag im Auftrag der PKK

■ Bundesanwaltschaft fordert im Düsseldorfer Kurdenprozeß Höchststrafen / PKK-Parteiabweichler „gnadenlos verfolgt“ / Scharfe Kritik an Verteidigern

Düsseldorf (taz) – Nach über vierjähriger Prozeßdauer geht der sogenannte Kurdenprozeß in Düsseldorf in die Schlußphase. Für drei der noch verbliebenen vier Angeklagten forderte die Bundesanwaltschaft am Montag wegen mehrfachen Mordes, versuchten Mordes und „Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung“ lebenslange Haft. Der vierte Angeklagte soll wegen zweifachen Totschlags, Rädelsführerschaft und Freiheitsberaubung für 15 Jahre in den Knast.

Für die Ankläger steht fest, daß die Angeklagten, die zum Teil jahrelang zur Führungsebene der kurdischen Arbeiterpartei PKK zählten, als Täter und Mittäter unmittelbar an der „gnadenlosen Verfolgung“ von Parteiabweichlern beteiligt waren. So soll Ali Aktas in Berlin im Juni 1984 das abtrünnige Parteimitglied Murat Beyrakli eigenhändig erdrosselt haben. Wegen der Beteiligung an diesem Mord ist der frühere PKK-Spitzenfunktionär Ali Cetiner von einem Berliner Gericht schon zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Das geringe Strafmaß erklärt sich aus Cetiners Bereitschaft, in Düsseldorf als Kronzeuge auszusagen. Während die Verteidiger Cetiners Aussage als völlig unglaubwürdig werten, gibt es nach den Worten von Oberstaatsanwalt Dieter Anders „keinen vernünftigen Zweifel“ an seiner Glaubwürdigkeit.

Der Angeklagte Hasan Güler soll Aktas zwei weitere Mordaufträge erteilt haben. Im Mai 1984 gelang dem schon gefangenen Parteidissidenten Mehmet Bingöl in letzter Sekunde die Flucht. Wenige Monate später, im August 1984, traf es den Parteiabweichler Zülfü Gök. Ihn hat Aktas, der kurz nach der Tat im Fluchtauto gestellt worden war, durch mehrere Schüsse zweifelsfrei ermordet. Ein Gericht verurteilte Aktas dafür bereits 1984 zu lebenslanger Haft.

Duran Kalkan, auch Selahattin Erdem genannt, zeitweise Stellvertreter des PKK-Chefs Abdullah Öcalan, soll zusammen mit Güler im europäischen ZK der PKK für die Ermordung von Ramazan Adigüzel, Funktionär der Konkurrenzorganisation KOMKAR, verantwortlich gewesen sein.

Dem vierten Angeklagten, Ali Kaytan, wirft die Bundesanwaltschaft vor, für die Hinrichtung zweier PKK-Mitglieder im libanesischen PKK-Lager verantwortlich zu sein. Außerdem soll Kaytan an der „Inhaftierung“ und dem Verhör mehrerer PKK-Mitglieder beteiligt gewesen sein. Im Anschluß an ein solches Verhör hatte sich einer der Inhaftierten der „Parteihaft“ durch den tödlichen Sprung aus dem neunten Stock eines Kölner Hauses entzogen.

Kaytan, Güler und Kalkan waren für die Bundesanwaltschaft die Hintermänner einer „Teilorganisation“, der die Verfolgung von Abweichlern oblag. Diese „Teilorganisation“ stufen die Ankläger als „terroristische Vereinigung“ innerhalb der PKK ein. Die Verteidiger sprechen in diesem Zusammenhang von einem Konstrukt zur Diffamierung der PKK. Solche Kritik wies die Bundesanwaltschaft scharf zurück. Der „systematische Mißbrauch“ der Strafprozeßordnung habe nur dazu gedient, „eine Sachentscheidung unmöglich zu machen“. Bei den Angeklagten handle es sich nicht um „heroische Freiheitskämpfer, sondern um Kriminelle“, die mißliebige Parteigenossen „erwürgt und erschossen“ hätten. W. Jakobs

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